Auf dem Feld

Schon bei Sonnenaufgang sieht man den Sämann auf dem Feld. Das Morgenlicht zeichnet seine kräftige Gestalt als dunkle Silhouette an den Horizont. Mit festem, weit ausgreifendem Schritt geht er stetig seinen Weg. Das volle Saattuch über der Schulter.

Als müsse er die Erde ernähren, so streut er den Samen gleichmäßig breitwürfig über das Land, damit wir Nahrung zum Leben haben. Er weiß nicht, ob er aufgehen, oib er wachsen wird. Er kann es nicht regnen lassen, nicht machen, dass die Sonne scheint. Auch Wind und Wetter gehorchen ihm nicht. Er sät nur: Das hat er gelernt. Und er freut sich daran. Es ist gut, über die Erde zu gehen. Dabei zu sein, wenn alles beginnt.

Frucht bringen

Es ist nicht einfach, dieser Beruf. Er fordert Unterwegssein. Genauso ist die Arbeitszeit nicht festgelegt. Oft dauert sie bis tief in die Nacht. Ist das Amt auch umsichtig ausgeführt, so bleibt der Sämann doch nicht vor Enttäuschung bewahrt – wenn der Same nicht aufgeht, wenn die Vögel ihn fressen, wenn er auf felsigen Boden fällt oder die Dornen ihn überwuchern. Dann sieht es schlecht mit der Ernte aus, die uns Nahrung zum Leben bringen soll. Aber sein Herz lacht, wenn er sieht, dass die Erde grün wird und Frucht bringt. Nur darauf kommt es an.

Brot, Wasser, Hoffnung

So viele hören das Wort, das leben schenkt. Sie verstehen, dass es Brot ist, Wasser – und Hoffnung. Wie aber können sie es dann wieder leichtfertig auf’s Spiel setzen, es für ein „Linsengericht“ hergeben? Reizvolleres, Abwechslungsreicheres als Brot und Wasser lockt. Betörend flüstert es: „Sollst du nicht teilhaben an dem Guten, an dem sich die Welt ergötzt? Willst du zu kurz kommen? Du musst doch nicht verzichten, während andere genießen!“ – So werfen sie schnell weg, was ihnen gerade noch lebenswichtig erschien, und laufen leichtfüßig hinterher, hinter der bunden lärmenden Maskerade.

Das Wort

Andere nehmen das Wort begeistert auf. Doch sobald Geröll und Steine den Weg versperren, geben sie es auf. Wenn es nicht weiche Wiesen gerantiert, warum sollte man es dann behalten?

Auch noch andere haben es gehört, dieses Wort, einmal für immer gesagt. In Stein gemeißelt steht es da und sieht sie an. Doch begierig,  die neugier zu befriedigen, laufen sie achtlos daran vorbei. Sie erkennen nicht seinen Wert. „wem alles gleichgültig ist, dem ist auch alles gleich gültig“, heißt es.

 

Dazugehören

Und wo geht die Frucht auf? Zehn werden von schwerer Krankheit geheilt. Aussätzig sind sie gewesen. Ausgestoßen aus der Gesellschaft, Leute im Abseits. Keiner wollte sie haben. Jder wandte sich ab von ihnen. – Wie gern wollten sie wieder dazugehören. Nicht mehr den Stempel der Ferne als Tätowierung am Körper tragen. Aber abwaschen konne man ihn nicht. Das Malzeichen blieb.

Neubeginn

Nein, neun wenden sich sofort wieder ihren Geschäften zu, tauchen zurück in den Lärm der alten Welt. Nur einer begreift. Er weint vor Erschütterung. Wie unglaublich ist er beschenkt: „Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden!“ Bezahlt sind die Schulden der dunklen Vergangenheit. Leuchtend hell der Neubeginn. Da ist sie, die große Liebeserklärung Gottes! Und jubelnd ruft ihm der Gesundgewordene entgegen: „Du hast Wunderbares an mir getan, Herr. Bei dir will ich bleiben. Nichts wird mich von dir trennen. Dir folge ich, ganz gleich, was es kostet. Du bist Brot, Wasser, Leben. Ja, Herr, hier bin ich. Danke! Danke!“

Dank vergessen

Und die anderen, die nicht kamen? Die den Dank vergaßen? War das Saatgut verschieden? War es gut und schlecht? – Wie könnte es, wenn der, von dem es kommt, immer derselbe Herr ist und bleibt. – Lag es am Sämann, dass der Same nicht wuchs und verdorrte? – Er hatte nur ausgeteilt, treu und zuverlässig, wie ihm aufgetragen war – genau dasselbe für alle, nicht mehr und nicht weniger.

 

Wachsen im Erdreich kann nur, wer Vergebung sucht, zerbrochen, verzweifelt über eigene Schuld. Und dann entdeckt, dass diese Vergebung nur schenken kann, der selbst die Liebe ist. Dessen Hand aus der Schlammgrube herauszieht. Dessen Ja zu den Menschen ein riesiges Kreuz über den ganzen Erdball gezeichnet hat.

Dr. Irmhild Bärend für GottinBerlin.de