diverse Grabstellen

Der Tod ist nicht das Ende

1938 geboren, das heißt, der Verstorbene war 83 Jahre alt. Wenn ich die Lebensdaten von Verstorbenen abfrage, habe ich manchmal das Gefühl, ich würde nur einen Lebenslauf für eine Bewerbung schreiben. Wichtiger noch, als Daten, ist mir, was das für ein Mensch war, für den ich eine Trauerfeier vorbereiten werde. Ich frage nach wichtigen Erlebnissen und Charaktereigenschaften. Und manchmal frage ich mich selbst in solchen Momenten, ob ich schon angefangen habe, zu rational an Bestattungen heranzugehen. 

Der Mann war schon lange krank gewesen. Über die letzten 12 Jahre gab es immer wieder Einweisungen ins Krankenhaus – und immer wieder sei er dem Tod von der Schippe gesprungen, sagt die trauernde Lebensgefährtin. „Ja, ich hätte doch damit rechnen müssen, dass es irgendwann so kommen wird, aber jetzt fehlt er mir so!“, sagt sie. 

Die arme Frau tut mir leid. Nein, ich bin noch nicht abgestumpft, merke ich, versuche nur, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten, um mich auf die Sache zu konzentrieren. „Wissen Sie, wenn ich nicht wüsste, dass der Tod nicht das Ende ist, ich würde verzweifeln!“

Ich horche auf. Diesen Satz höre ich nicht oft von Trauenden. Das Gesicht der Seniorin hellt für einen Moment auf. „Ich möchte bitte, dass Sie meinen Mann am Grab aussegnen, denn ich weiß, dass er jetzt bei Gott ist“, sagt sie noch. Dann ist dieser kleiner Moment wieder vorbei und die Dame ergibt sich wieder ihrer Trauer. 

Leben im Hier und Jetzt

Jetzt bin ich wirklich bewegt. Ich nehme zwei Dinge mit aus diesem Trauergespräch. Das eine ist, dass der Verstorbene schon zu Lebzeiten so vieles richtig gemacht hat, vielleicht, weil er wusste, dass er krank war. Er hatte sich – als ein Beispiel – einen Lebenstraum verwirklicht, den er seit seiner Kindheit hegte. Er wollte immer Bauer werden – und so hatte er sich nach der Wende in Mecklenburg ein Stück Land gekauft. 

Hier lebte er von April bis Oktober, baute Obst und Gemüse an und lebte – so sagt die Witwe – jeden Tag ganz bewusst. Und dann schmunzelt sie: „Er hat immer Kartoffeln angebaut, obwohl er gar keine Kartoffeln gegessen hat. Nudeln musste ich ihm immer kochen – und da hab ich dann immer gesagt, er solle doch lieber einen Nudelbaum pflanzen!“

Unser Leben ist nicht unendlich. „Bedenke doch, wie kurz mein Leben ist! Nur für einen flüchtigen Augenblick hast du uns Menschen geschaffen“, schreibt David (Psalm 89, 48 HfA). Wir machen nichts falsch, wenn wir jeden Tag bewusst leben, nicht nur in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Heute. Denn selbst, wenn wir 83 Jahre alt werden dürfen, so vergeht diese Zeit viel zu schnell. 

Zwischenstation

Das Zweite ist das Bewusstsein, dass dieses Leben nur eine Zwischenstation ist. Eines Tages wird unser Herz aufhören zu schlagen und unsere Lungen werden aufhören zu atmen. Und dann werden wir vor Gott stehen. Wie gut, wenn unser Leben von diesem Bewusstsein geprägt ist. Das lässt uns viel Böses leichter ertragen und viel Gutes intensiver genießen. 

So kurz unser Leben auf dieser Erde ist, so ewig ist es für die, die sich auf Gott verlassen, denn auf sie wartet etwas, das man gerne mit Himmel oder Paradies nennt und dennoch nicht annähernd Worte fassen kann – eine Ewigkeit mit und bei Gott. 

Auch, wenn ich gelernt habe, mich von der Trauer Hinterbliebener nicht erdrücken zu lassen und mich so auf meine Aufgabe konzentrieren kann, so ist jede Trauerfeier dennoch wie ein „Achtung-Schild“ in meinem Leben, das mir sagt: „Gib jedem Tag die Chance, der beste deines Lebens zu sein!“ (Mark Twain). Aber eben auch ein „Wegweiser-Schild“, das mich daran erinnert, meinen Weg zu Gott nicht zu verlassen. 

Lasst uns heute den Tag genießen, bewusst leben, tief durchatmen und Gottes Liebe tief einatmen. Lasst uns den Blick auf das Heute werfen, aber das Ziel, das Leben bei Gott nicht aus den Augen verlieren.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de