Auf einer Wiese steht ein einzelner Baum

Welcome home

Ich gehe gerne sonntags in den Gottesdienst. Natürlich muss es ein richtig guter Gottesdienst sein. Die Musik soll großartig sein, die Moderation professionell, die Predigt mitreißend und lebensverändernd, und überhaupt soll die Gemeinde so sein, dass ich mich wohlfühle. Viele dieser Orte werben ja mit dem Slogan „Welcome Home“ (Willkommen zu Hause) im Eingangsbereich. 

Leider sieht die Realität oft anders aus. Es ist eben schwer, Gemeinde mit den Menschen, die zu ihr kommen, so zu bauen, wie man sie sich selber wünscht. Warum? Weil Gemeinde kein Ort ist, an dem sich die Glaubensprofis, die Musiker-Profis, die Moderations-Profis und andere Profis treffen – alles nur Menschen mit einem super Charakter, einer umwerfenden Ausstrahlung und (fast) frei von Fehlern. 

Gemeinde

Jesus hat einmal gesagt: „Die Gesunden brauchen keinen Arzt – wohl aber die Kranken.“ (Matthäus 9, 12 NLB). Gemeinde ist kein Sammelbecken für gesunde, heile und heilige Menschen. Wäre es so, wären wir wohl ebenso erstaunt, als wenn wir zum Arzt gehen würden und im Wartezimmer nur gesunde Menschen sehen würden. 

Der Vergleich passt gut, denn die Erwartungshaltung ist, dass es eine Reihe Kranker beim Arzt gibt, denen der Arzt helfen kann, und die dann (hoffentlich) wieder gesund werden. Gemeinde sollte ebenso ein Ort sein – wobei Gemeinde sowohl eine Kirche mit Tausenden Besuchern, als auch ein Wohnzimmer mit einer Handvoll Christen sein kann. 

Kirche sollte ein Ort sein, zu dem alle kommen können, die Gestrauchelten, die Gefallenen, die Sünder, die Bösen, die Verletzten und die Verletzen, die Mutlosen, die Kraftlosen, die Hoffnungslosen, die, die sich anstrengen und die, die die Kraft dazu verloren haben.

In den Spiegel schauen

Wir würden so gerne an der Tür aussieben, wer zur Gemeinde passt und wer nicht, wer die Gemeinde schöner und harmonischer macht und wer eher nur stört und auffällt. Aber dazu müssten wir erst einmal in den Spiegel schauen und erkennen, wie unzulänglich wir sind, wie viele Fehler wir selbst haben. 

Das ist nicht einfach. Da ist es einfacher, sich entweder eine Gemeinde zu suchen, die so ist, wie man sie sich wünscht. 

Geduldig und behutsam

Paulus schreibt an die Gemeinde in Thessaloniki: „Geht behutsam mit den Schwachen um und habt mit allen Geduld!“ (1. Thessalonicher 5,14 NLB). Gut wäre es, wenn Gemeinde so wäre, denn dann würde Gemeinde wieder ein Ort werden, an dem wir wirklich heil werden könnten.

Ich bräuchte meine Schwächen und die dunklen Flecken meines Charakters nicht mehr krampfhaft versuchen zu verstecken. Dann wäre Gemeinde wieder ein Ort, an dem Menschen sich versammeln, die wissen, dass sie Hilfe brauchen – und die dann Hilfe erfahren.

Die sich weiterentwickeln, Jesus ähnlicher werden, einander stützen und unterstützen. Dann hätten wir auch in verschiedenen Bereichen wirkliche Profis – nicht, weil sie eine gute Ausbildung oder ein Studium gemacht haben, sondern, weil sie durch die Schule des Lebens gegangen sind.

Aber es würde eben dazu gehören, dass wir in Liebe und Geduld behutsam mit denen umgehen, die schwach sind und ihnen helfen, stark zu werden – und vor allem auch, dass andere mit uns geduldig sind und uns helfen, wieder in das Bild hineinzuwachsen, das Jesus sich gedacht hat, als er uns erschaffen hat. 

Und es würde an allererster Stelle bedeuten, dass ich bereit bin, mein Herz verändern zu lassen, ein besserer Mensch zu werden, indem ich es zulasse, dass Jesus mich ihm immer ähnlicher macht. Leicht gesagt und dennoch schwer. 

So ist es einfacher, beim Arzt im Wartezimmer zu sitzen mit der Erkenntnis, einer der Kranken unter den Kranken zu sein und darauf zu hoffen, der Arzt könne uns Linderung schenken, als in der Gemeinde. Deswegen ist der Hinweis mit der Geduld gar nicht schlecht. 

Hoffen wir, dass die anderen auch mit uns geduldig sind und behutsam mit uns umgehen. Vielleicht machen wir ja irgendwann den nächsten Schritt.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de