Ein Mann schießt mit Pfeil und Bogen in eine Zielscheibe

Bogenschießen

Es gibt Wahrheiten, über die man nicht gerne spricht. Eine davon ist, dass ich wohl der schlechteste Mensch der Welt im Bogenschießen bin. Als ich vor Jahren einen Pfadfinder-Austausch in die USA organisierte, besuchten wir dort im wunderschönen Bundesstaat Indiana auch ein Scout-Camp. Pfadfinder in den USA laufen anders ab, als wir das gewohnt waren. 

Wir waren in den Ferien meist mit Rucksack und Zelt irgendwo zu Fuß unterwegs, wanderten, campten, wo immer wir abends ankamen, kochten überm Lagerfeuer und versuchten – so weit es ging – im Einklang mit der Natur zu leben. In den USA erlebten wir ein Stück Wohlfühl-Campen. Eine Woche lang ging es in ein abgesperrtes Gebiet, in dem jeder Gruppe einen eigenen kleinen Campingplatz zugewiesen bekam. 

Es gab Essen aus der Kantine, Feuer wurde nur mal zur Unterhaltung gemacht – und anstatt das Leben in und mit der Natur zu lernen, wurden wir mit unzähligen Aktivitäten bespaßt. Bei den meisten konnte man eine Art „Prüfung“ ablegen, um dann stolz mit vielen neuen kleinen Abzeichen wieder nach Hause zu  fahren. Abzeichen gab es fürs Schwimmen, Feuerwachen, Knotenbinden, Tierspuren-Lesen und vieles mehr – und im Bogenschießen. 

Wir wurden auf eine (mit für uns Deutsche allerhand ungewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen bestückte) Wiese geführt, bekamen eine theoretische Einführung und sollten dann mit Pfeil und Bogen auf eine Zielscheibe schießen. Sah einfach aus – war es für die meisten der Kids auch. Nur ich traf nicht einmal. Nicht den ersten, nicht den zweiten und auch nicht den zehnten Pfeil, als die netten Scouts mir die Scheibe schon viel näher gestellt hatten.

Um mich nicht ganz bloßzustellen, legten sie mir einen Strohballen direkt vor die Nase auf den Boden und versicherten mir, ich würde mein Abzeichen auch dann bekommen, wenn ich es nur schaffte, diesen zu treffen. Von allen „Prüfungen“ war das mit Abstand die schwierigste für mich. 

Was war das Problem? Wenn du beim Zielen nur ein paar Grad Abweichung hast, dann verfehlt der Pfeil sein Ziel. Es ist oft nur ein Hauch, der über die Strecke einen großen Unterschied macht. Und mit einem Pfeil hast du nur eine einzige Chance. Du zielst richtig und triffst oder dein Pfeil landet irgendwo im Unterholz. Bei einem Elfmeter im Fußball hast du die Chance eines Nachschusses, um das Tor doch noch zu treffen. Bei einem Pfeil nicht. 

Nur diese eine Chance

Und das bringt mich zur nächsten Wahrheit, die ich ungern ausspreche: In unserem Leben haben wir auch nur diese eine Chance. Wir sind dazu erschaffen worden, als Gegenüber, als Partner, als Kind Gottes zu leben und eine Ewigkeit bei ihm zu verbringen. Aber es gehört in unserem Leben auch nicht viel dazu, am Ziel vorbeizuschießen. Wenn wir unser Leben falsch ausrichten, dann werden wir eher im Unterholz landen als in der Mitte der Zielscheibe (um bei dem Bild des Bogenschießens zu bleiben).

Im Buch Hiob lese ich: „Gott muss den Menschen nicht erst lange beobachten, bevor er ihn vor sein Gericht zieht“ (Hiob 34, 23 NLB). Gemeint ist, dass Gott nicht lange schauen muss, um zu sehen, wie wir immer wieder seinen Weg verlassen und eben nicht tun, was gut und richtig ist. Deswegen nutzt Jesus das Wort „Hamartia“ (griechisch ἁμαρτία), wenn er von Sünde spricht, denn Hamartia bedeutet eben genau das, dass man am Ziel vorbeischießt und nicht trifft.

Das ist das Problem von Sünde und Schuld. Es mögen nur ein paar Grad sein, die ich mein Leben falsch ausrichte – und das Ziel ist unerreichbar. Deswegen ist dieses Thema so wichtig, denn in meinem Leben legt mir niemand einen Strohballen direkt vor die Füße und schenkt mir aus Mitleid ein Abzeichen, wenn ich wenigstens den treffe.

Ich bin allein nicht in der Lage zu treffen – und deswegen brauche ich Hilfe. Ich kann mein Leben nicht ohne Sünde leben (das kann niemand), deswegen würde ich das Ziel meines Lebens – die Ewigkeit bei Gott – nie treffen, wenn Gott nicht selbst dafür sorgen würde, dass der Kurs korrigiert wird. Paulus schreibt dazu treffend: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod; das unverdiente Geschenk Gottes dagegen ist das ewige Leben durch Christus Jesus, unseren Herrn“ (Römer 6, 36 NLB).

Es ist nicht angenehm, über solche Dinge zu sprechen – und ich finde es nicht gut, wenn im Glauben Angst verbreitet wird. Noch schlimmer finde ich es aber, wenn Menschen sich Mühe geben und dennoch danebenschießen. Es geht nicht um Angst vor einem Gericht Gottes, sondern um die Freiheit, die geschenkt ist, weil Jesus uns ins Ziel treffen lässt. 

Denn er hat alle Schuld auf sich genommen, er hat den Kurs korrigiert und er wird uns sicher ans Ziel bringen, wenn wir ihm das Steuer überlassen, ganz ohne Tricks und Strohballen.

Sei gesegnet!

 

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de