Mann schaut in die Abendsonne

Anton ist genervt

„Herrn Ferrarÿ, der Max nervt total!“ Dass die Worte gerade aus dem Mund von Anton kommen, verwundert mich, denn er gehört auch nicht gerade zu den angepassten, ruhigen Kindern. „Ach, der bekommt sich schon gleich wieder ein“, antworte ich. „Beachte ihn gar nicht, dann verliert er den Spaß daran!“

„Aber das geht schon den ganzen Tag so“, erwidert Anton, „eigentlich schon die ganze Woche!“ Ich hatte sogar schon eine Mail von Antons Eltern bekommen, denn eigentlich sollten beide ein Referat zusammen halten, aber Anton hatte sich geweigert und wollte lieber alles alleine machen.

Gespräch mit Anton über Max

Also nehmen wir uns Zeit und sprechen über die Sache. „Was macht denn der Max, das so schlimm ist?“, frage ich. „Er stellt sich vor einen, macht das Loser-Zeichen und tanzt singend vor einem. Oder er nimmt einem die Federtasche weg. Aber am schlimmsten ist, dass er ständig anfängt, laut zu singen – mitten im Unterricht. Unsere Klassenlehrerin weiß auch nicht mehr, was sie machen soll…“

Erst denke ich: „Nicht dein Job, das muss die Klassenlehrerin klären!“ Dann denke ich: „Aber du kannst den Kids nicht signalisieren, es wäre dir egal!“ Max selbst sitzt die ganze Zeit auf seinem Stuhl und grinst ziemlich blöd. 

Ich schaue ihn an und denke einen Moment nach. In dem Moment kommt mir das alte Zitat vom kleinen Prinzen in den Sinn: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar!“ Es geht Max nicht ums Nerven. Es geht Max aus irgendeinem Grund nicht gut.

Eine Art Hilferuf

Wenn ich mir nur sein Verhalten anschaue, dann komme ich nicht weiter. Ich kann versuchen, ihn mit Disziplinarmaßnahmen ruhig zu bekommen. Damit hätte ich ihm aber nicht geholfen. „Ich glaube nicht, dass Max nervt, nur um des Nerven willen. Ich glaube, Max möchte uns damit etwas ganz anderes sagen. Ich glaube, es geht Max nicht gut, aber er kann nichts ausdrücken, was mit ihm los ist. So, wie er sich benimmt, ist es nicht hilfreich, denn er geht allen auf den Keks. Aber ich glaube, dass Max eine Art Hilferuf aussendet!“

Das hat gesessen. Max schaut erst erschrocken, dann hilflos, dann sinkt er in sich zusammen und ist still. 

Wo schauen wir hin?

Mir wird bewusst: Wir schauen viel zu oft mit unseren Augen auf das Äußere anderer Menschen und viel zu selten mit unseren Herzen auf die Person. Und wir schauen viel zu oft mit unseren Erfahrungen und Vorurteilen, unseren Vorlieben und unseren Geschmäckern auf andere und viel zu selten mit den Augen Gottes. 

Wenn jemand nervt, dann kommt er in die Schublade zu den anderen nervigen Menschen. Wenn uns jemand fasziniert, dann fallen wir leicht auf Äußerlichkeiten herein. Ist jemand warmherzig und gebefreudig, dann kommt er in eine andere Schublade, als jemand, der eher mürrisch und abweisend ist. Das ist ganz normal. 

Aber manchmal frage ich mich: In welcher Schublade liege ich eigentlich bei anderen Menschen  – und, möchte ich eigentlich dahin? Gott schaut nicht auf Äußerlichkeiten, er schaut aufs Herz. Gott durchschaut auch, wenn wir uns aus einem bestimmten Grund so oder so verhalten oder eben anders. 

Gott sieht uns, und beachtet uns

Die Mutter von Abrahams erstem Sohn Ismael sagt, nachdem ihr Gott begegnet ist: „»Ich bin tatsächlich dem begegnet, der mich sieht!« Darum nannte sie den HERRN, der mit ihr gesprochen hatte: »Du bist der Gott, der mich sieht.« 14 Der Brunnen an dieser Stelle erhielt den Namen: »Brunnen des Lebendigen, der mich sieht«. Er liegt bekanntlich zwischen Kadesch und Bered“ (1 Mose 16, 13-14 HfA).

Gott sieht uns und beachtet uns. Wir sind ihm nicht egal. Und er ist der Gott, der uns gebietet, einander zu lieben – nicht nur unseren Nächsten, sondern sogar unsere Feinde. Lasst uns anfangen, die Menschen mit seinen, mit Gottes Augen zu sehen und nicht nur auf die äußere Hülle zu achten. 

Das werden wir nicht alleine hinbekommen – aber Gott wird uns dabei helfen. Wichtig ist, die Entscheidung zu fällen, Menschen nicht mehr vorschnell in Schubladen zu packen. Bete darum, dass Gott dir die Augen öffnet, damit du sehen kannst. Bete um Geduld und Liebe gerade für die Menschen um dich herum, bei denen du Liebe und Geduld am meisten brauchst. Und bete darum, dass Gott dir schenkt, Menschen mit seinen Augen zu sehen.

Was mit Max wirklich los ist, habe ich noch nicht herausbekommen können. Aber ich habe ihn auf dem Schirm und bete für ihn!

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de