Frau hält sich mit Handschuhen die Augen zu

Vergessenheit

Leider geraten immer mehr alte Volkslieder in Vergessenheit. Kennst du auch noch das alte Volkslied: „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“? Dort heißt es in der letzten Strophe:

Weißt du, wie viel Kinder frühe
stehn aus ihren Bettlein auf,
dass sie ohne Sorg und Mühe
fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
seine Lust, sein Wohlgefallen,
|: kennt auch dich und hat dich lieb. 😐
 
Für Kinder vielleicht verständlich, für Erwachsene kaum greifbar. Der allmächtige Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der, der alles kennt und alles weiß – er kennt auch dich und hat dich lieb. Das Lied drückt eine wichtige Wahrheit aus, die aber manchmal in unserem Leben nicht ganz so einfach ist.
 

Von Gott erkannt

Paulus schreibt in einem seiner Briefe: „Doch wer Gott liebt, der ist von Gott erkannt“ (1. Korinther 80, 3 NLB). Das Wort „erkannt“ bedeutet eigentlich: „kennenlernen, erkennen, wahrnehmen.“ Ich lerne etwas kennen, erkenne es und dann kenne ich es. Klingt kompliziert? Ist es eigentlich gar nicht, aber wir machen es uns oft kompliziert.
Oft sehen wir Gott in unserem Leben als eine Art moralische Instanz an. Gott stellt Regeln auf und wenn wir diese alle halten, dann geht es uns Menschen gut. Oder wir sehen ihn als Coach, der neben unserem Leben am Spielfeldrand steht und uns Tipps gibt, wie wir besser und erfolgreicher sein können. Manche sehen ihn auch als eine Art Polizisten, der in unserem Leben Patrouille läuft und, wenn wir Fehler machen, die eine oder andere Strafe ausspricht.
 
Von Gott erkannt zu werden ist aber mehr. Kennen ist mehr als Fakten gehört und gelernt zu haben. Kennen ist mehr, als dass jemand außerhalb steht und uns beobachtet. Von Gott erkannt zu werden, ist keine Einbahnstraße. Der Theologe Craig Pension hat das einmal so ausgedrückt: „Von Gott erkannt zu werden, ist der Geburtsort der Freiheit. Wenn wir unserem Schöpfer und Retter erlauben, uns wirklich zu kennen, bringt er all seine Kraft, Liebe und Befreiung mit. Erst wenn wir ihm erlauben, die Wunden unserer Vergangenheit zu kennen, bringen wir uns in die Lage, seine Heilung zu empfangen. Nur wenn wir entdecken, dass er mit uns weint, trauert, lacht und feiert, werden unsere Herzen auf der Realität einer wahren Beziehung zu ihm beruhen“ (Quelle: first 15.org).
 
Was ist damit gemeint? Obwohl wir wissen, dass Gott allwissend ist – ansonsten wäre er ja nicht Gott – würde er nie von sich aus (gegen unseren Willen) in unsere dunkelsten Ecken der Seele vordringen. Er würde – bildlich gesprochen – nie unser Tagebuch einfach lesen.
Er kann aber wirklich zu einer Quelle der Kraft, Liebe und Befreiung werden, wenn ich ihm von mir die Bereiche meines Lebens zeige, die ich sonst niemandem zeige: Meine tiefen Verletzungen, meine schlimmsten Fehler, meine größten Ängste. Dann wirst du von Gott erkannt.
 

Mein Herz öffnen

„Wer Gott liebt, der ist von Gott erkannt“, bedeutet, dass ich – weil ich Gott kenne, weil ich ihm vertraue, weil ich ihn liebe – mein Herz öffne, ihm die Dinge hinhalte, die ich sonst verstecke. Ich kann ein ganzes Leben als Christ verbringen und Gott an meiner Seite haben, ohne dass ich Gott die Möglichkeit gegeben habe, mich zu kennen. Wenn dir das auch so geht, sei beruhigt: Du bist damit absolut nicht allein.
 
Tragischerweise leben wir Christen oft in einer merkwürdigen Distanz zu Gott. Wir leben ein Stück so, als wäre Jesus nur auf die Erde gekommen, um uns die „Eintrittskarte in den Himmel“ zu geben. Aber vielmehr ist er gekommen, uns mit Gott zu versöhnen, uns zu heilen, uns wieder aufzurichten, uns zu verändern, damit wir wieder mehr und mehr zu dem werden, wie Gott uns gedacht hat, also ihm ähnlicher zu werden.
 
Je mehr wir es schaffen, Gott unsere tiefsten Tiefen, die geheimsten Geheimnisse und die größten Verletzungen und bedrohlichsten Ängste hinzuhalten, desto mehr werden wir eine Liebe von ihm erleben, die sichtbarer, reeller und gewisser ist, als jede Liebe, die wir bisher im Leben erlebt haben – „kennt auch dich und hat dich lieb.“
Aber es ist kein leichter Weg. Er ist mit Zeit verbunden und auch mit Schmerz (weil ich mich mit meinen Verletzungen auseinandersetzen muss) und mit Scham (weil ich die Dinge, für die ich mich schäme, aus dem Keller meiner Seele holen muss). Aber er lohnt sich, denn es gibt wenig, was sich so gut anfühlt, wie Freiheit!
 
Schiebe es nicht auf die lange Bank, sondern fange heute an, Gott die Chance zu geben, dich kennenzulernen, indem du heute mit ihm über diese Dinge sprichst!
Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de