Hände halten einen flachen Stein

Verlorener Sohn

„Das ist wirklich eine rührende Geschichte mit dem verlorenen Sohn, aber eine Woche darauf herumzureiten, fand ich dann doch zu viel, Jürgen!“ Das sagte mir gerade jemand. Und fügte dann hinzu: „Es mag ja sein, dass es Menschen gibt, die solch einen Anstoß brauchen. Aber ich nicht. Ich bin gut mit Gott!“

Ich musste einen Moment überlegen, wie ich darauf antworte, denn Reaktionen auf solche Kommentare können leicht verletzend wirken. Auf der anderen Seite treffe ich gefühlt ständig auf Leute – auch in der Kirche – die meinen, sie wären großartig. Ich fragte diesen Menschen also eine einfache Frage:

Charakter und Leben

„Stell dir vor, du sitzt in der Kirche. Die Kirche ist gerammelt voll. Und dann stell dir vor, die Person neben dir würde alles wissen, was du je an Mist gebaut hast. Jeden üblen Gedanken, den du je hattest, jede Tat, die du begangen hast. Sie würde jedes Wort kennen, das du gesagt hast, jeden Ort, den du besucht hast – auch im Internet. Jede Lüge wäre der Person ebenso bekannt, wie jeder kleine und große Betrug. Vor dieser Person wäre dein Charakter und dein Leben quasi nackig. Was würdest du denken, wie diese Person reagieren würde?“

Mein Gegenüber sah mich ziemlich erschrocken an, wie ein kleines Kind, das man gerade dabei erwischt hat, als es etwas Verbotenes tat. Viel zurückhaltender waren plötzlich die Worte: „Ich glaube, die Person neben mir würde sich wegsetzen!“ Mit so viel Ehrlichkeit hatte ich gar nicht gerechnet. Im Nachhinein denke ich, es war eine wichtige Lektion für meinen Kritiker. Die Menschen in meinem Umfeld sehen nur, was offensichtlich ist und es wäre eine üble Vorstellung, wenn sie mehr sehen würden.

Du bist ein Gott, der mich sieht

Gott aber sieht nicht nur meine (fromme) Fassade. Die Jahreslosung für dieses Jahr lautet: „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16, 13). Das ist absolut beruhigend. Gott sieht mich. Er übersieht mich nicht. Aber es ist ein ganzes Stück beunruhigend zugleich, denn Gott sieht eben auch, was niemand sehen soll – nämlich, dass ich nicht perfekt bin. Auch mein Kritiker ist nicht perfekt – und halte dich fest: Auch du bist nicht perfekt.

Als einmal eine Frau beim Ehebruch erwischt wurde, verlangten die ganzen „perfekten“ religiösen Menschen, man solle sie steinigen. „Doch Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger in den Staub. 7 Aber sie ließen nicht locker und verlangten eine Antwort. Schließlich richtete er sich auf und sagte: »Wer von euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein auf sie werfen!«“ (Johannes 8, 7 NLB).

Das überführte die Menschen damals: „Als die Ankläger das hörten, machten sie sich einer nach dem anderen davon, die Ältesten zuerst. Schließlich war Jesus allein mit der Frau“ (Johannes 8, 9 NLB).

Perfekt?!

Ich kenne fast nur zwei Arten von Menschen, die sich in Gemeinden tummeln, und man verzeihe mir, wenn mein Bild ein falsches ist: Da sind die, die sich für so schlecht erachten, dass sie am liebsten unter dem Teppich langkrauchen würden, damit man sie nicht sieht. Und die anderen, die denken, sie wären perfekt und würden alles richtig machen.

Wenn du in diesem Jahr neu durchstarten möchtest, einen Reset brauchst und dazu wirklich auftanken willst, dann schau dich an, wie Gott dich sieht. Die Wahrheit ist, dass wir alle nicht perfekt sind. Wir alle haben Fehler. Wir alle machen Fehler. Unser Charakter ist genauso wenig rein wie unsere weiße Weste. Wir alle haben unsere dunklen Flecken, auch wenn wir sie so gerne verstecken.

Umkehr

Wenn du wirklich in diesem Jahr neu durchstarten willst, wenn du dich nach Veränderung sehnst, möchtest, dass dein Leben reicher wird, dass du es mehr genießen kannst, dann ist es unabdingbar, diesen Fakt einzusehen – und dann dieselben Konsequenzen zu ziehen, wie der Sohn, von dem Jesus erzählt (Lukas 15). Der kehrte um zu seinem Vater.

Und was geschah? Der Vater nahm ihn wieder auf. Er stellte seine Position als sein Sohn wieder her und gab ihm wieder Autorität. Und am Ende gibt der Vater die Anweisung: „»Schlachtet das Kalb, das wir im Stall gemästet haben, denn mein Sohn hier war tot und ist ins Leben zurückgekehrt. Er war verloren, aber nun ist er wiedergefunden.« Und ein Freudenfest begann.“ (Lukas 15, 23 NLB).

Gott möchte dich wieder aufnehmen. ER möchte dir wieder die Position seines Kindes geben, dich segnen und dir die Stellung seines Miterben geben. Das kann ER aber nicht, wenn du nicht bereit dazu bist, wenn du denkst, du wärst perfekt.

Du magst religiös sein, dich an alle Regeln halten. Es mag sogar sein, dass du regelmäßig zur Kirche gehst. Aber Gott will viel mehr. ER will dich rein machen. Sein Gewand will ER über dich legen und dir Geborgenheit schenken – und nicht nur damit verbergen, was alles schiefgelaufen ist. ER will alles wegnehmen, weswegen andere sich wegsetzen würden, wenn sie es wüssten.

Großes Freudenfest

Und er will diese Dinge vernichten, ausradieren, in die tiefsten Tiefen des Meeres werfen (Micha 7, 19), er will, dass sie so weit weg sind von uns, wie der Osten vom Westen entfernt ist (Psalm 103,12). Wenn du in 2023 neu starten, durchstarten willst, dann sieh dich mit Gottes Augen, mach eine Kehrtwendung, geh zum Vater und nimm teil am großen Freudenfest.

Sei gesegnet!

„Reif werden, das heißt, Falsches loszulassen und in der Kraft Gottes neu zu starten“ (Ulrich Eggers).

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de