auf der Bibel betende Hände

Müssen wir beten?

„Herr Ferrary, müssen wir da auch beten?“ Wir sind mit den Religionskindern der 6. Klassen auf dem Weg zu einer katholischen Kirche in der Nähe unserer Schule. Es ist kurz vor den Sommerferien, und die Kids des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts sollen mit einer kleinen Zeremonie gemeinsam aus ihrer Grundschulzeit verabschiedet werden.

Die Kirche ist nicht weit von der Schule entfernt – aber auf dem Weg sprechen die Kinder so über ihre Vorstellungen, was sie gleich erwarten würde. Und ein Gedanke war eben, ob sie denn beten müssten. „Nein, niemand muss beten“, antworte ich – komme aber über die Frage zum Nachdenken.

Vorstellung übers Beten

Was haben die Kids eigentlich für Vorstellungen darüber, was Gebet ist? Haben sie so schlechte Erfahrungen gemacht, dass sie Gebet als etwas Furchtbares und Langweiliges ansehen? Ist Gebet etwas, das ich tun „muss

Mit Fragen gelöchert

Und dann fragt ein Kind: „Herr Ferrary, betest du manchmal?“ Ich antworte, dass ich sehr regelmäßig mit Gott sprechen würde. Und nun ist das Interesse geweckt: Ob ich auch einen Teppich brauchen würde, wie die Moslems (diese Frage kränkt mich fast am Ende der Grundschulzeit) – ob ich feste Gebete spreche und feste Zeiten des Gebets hätte – ob ich laut oder leise beten würde – und sogar die Frage, ob ich mir nicht doof dabei vorkomme, mit dem Nichts zu sprechen – mit diesen Fragen wurde ich gelöchert. Und es zeigte sich, dass der Weg zur Kirche viel zu kurz war, um richtig darauf antworten zu können.

Pflichtübung?

Gebet als Pflichtübung, als Muss – diese Vorstellung haben viele Menschen. Wenn du nicht betest, dann wirst du bestraft. Gebet, wie es die Bibel beschreibt, ist etwas ganz anderes. Jesus empfiehlt seinen Freunden: „Wenn du betest, geh an einen Ort, wo du allein bist, schließ die Tür hinter dir und bete in der Stille zu deinem Vater“ (Matthäus 6, 6 NLB).

Was meint Jesus?

Was meint er damit? Warum sagt er das? Ich denke, die Gründe, warum Jesus das empfiehlt sind vielfältig – zwei möchte ich herausgreifen:

Gott geht es beim Gebet um Gemeinschaft. Der Fakt, dass Gott uns als seinen Kindern zuhört, ändert vielleicht die Sicht, was Gebet ist. Gebet, das sind eben keine leeren Phrasen, die man beten muss. Gebet bedeutet: Ich gehe zu meinem himmlischen Vater, der mich liebt, der mir zuhört, der Zeit für mich hat, der sich nach Gemeinschaft mit mir sehnt, wie das ein Vater bei seinem Kind tut.

Deswegen sagt er: „Nimm dir eine Auszeit für mich!“ In der Hektik des Alltags haben wir oft nur Zeit für ein Tür-und-Angel-Gespräch. Das ist sicherlich gut und wichtig, aber eben keine Gemeinschaft. Das ist wie bei einer guten Freundschaft. Gott möchte uns im Gebet begegnen, dafür braucht es die Zeit und den Raum.

Ein zweiter Grund hat denselben Hintergrund. Weil wir als Kinder zu Gott kommen können, können wir ganz ehrlich sein. Ich kann Gott alles sagen, was mich bewegt. Ich kann mit ihm lachen und mit ihm weinen, ihn anflehen und ihm sagen, dass ich sauer bin. Das macht sich aus Scham-Gründen leichter, wenn ich mit Gott allein bin.

Wie würden meine Mitmenschen reagieren?

Man stelle sich vor, ich würde das mitten im Gottesdienst tun oder in einem Café. Gott würde mich absolut hören, aber meine Mitmenschen würden sicherlich irritiert reagieren. Deswegen ist es gut, Intimität mit Gott zu haben – sich Zeit zu nehmen für ihn und einen Ort zu wählen, an dem ich mich nicht schämen muss, wenn ich mein Herz öffne.

Wenn ich dann Gott sage, was mich bewegt und ihm die Zeit und Raum gebe zu antworten, dann wird er es tun, denn auch das gehört dazu.

Großartige Zeit

Und, um auf meine Kids zurückzukommen. Die hatten eine großartige Zeit. Meine katholische Kollegin bereitet den Abschluss der 6. Klassen immer super vor – mit Interaktionen, sinnlichen Erfahrungen und einem Hotdog hinterher. Alle waren begeistert.

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de

Ich wünsche dir, dass du erlebst, dass Gebet ein Vorrecht ist und ein guter Weg, Gott zu erleben – und keine langweilige Pflichtübung.

Sei gesegnet!