Fragiler Glaube

Es war Anfang der 90er Jahre, und ich war gerade erst Christ geworden und ich freute mich meines Lebens. Auf einer der ersten „Christenveranstaltungen“, die ich besuchte, wurde mein junger und fragiler Glaube sehr schnell von der Realität eingeholt. Ich war mit einigen anderen jungen Leuten auf einer „Jugendkonferenz“ im beschaulichen Marburg. Neben viel Musik, Austausch und einer kleinen Messe (hier habe ich das erste Mal davon erfahren, dass es auch richtig gute christliche Pop- und Rock-Musik gibt) wurde auf der Hauptbühne regelmäßig über „Themen des christlichen Lebens“ gesprochen (wenn ich das so schreibe, klingt das alles weniger aufregend, aber damals habe ich wirklich jedes Wort aufgesogen, wie ein Schwamm – und es waren auch wirklich großartige Redner dort am Start).

Neues Leben

Einer der Prediger sagte gleich zu Beginn seines Vortrages die Worte: „Christ zu sein bedeutet nicht, eine Lebens-Verbesserungs-Versicherung abgeschlossen zu haben!“ Das war für mich ein Schlag in die Magengrube. Das war doch aber das, was ich mir erhofft hatte. Ich wollte doch ein neues Leben, das frei war von all den Problemen, aus denen ich her kam, frei war von Schmerz, frei war vom Scheitern. Und nun das.

Ich packte den Satz lange in die Schublade und ignorierte ihn. Ich schaute lieber auf die Helden der Bibel und deren Erfolge: Josef, Mose, König David und ganz klar: Jesus.

Misserfolge

Natürlich fiel ich auch wieder auf die Nase. Natürlich rannte ich auch wieder gegen die Wand, und natürlich gab es (und gibt es) Bereiche im Leben, in denen ich scheiterte und scheitere. Und natürlich hatte der Redner damals Recht: „Christ zu sein bedeutet nicht, eine Lebens-Verbesserungs-Versicherung abgeschlossen zu haben!“ Ich kann mir alle Helden der Bibel anschauen: Alle hatten Phasen in ihren Leben, in denen das Leben hart war. All diese Helden scheiterten, erlitten Schmerz, wurden verfolgt, taten dumme Dinge, scheiterten, kamen ins Gefängnis oder wurden körperlich misshandelt.

Zum Teil geschah dies, bevor großartige Dinge in ihrem Leben passierten (zum Beispiel bei Josef oder Mose), zum Teil auch, nachdem Gott schon mächtig im Leben dieser Personen gewirkt hatte (z. B. bei David). Eine Heldengeschihte – die „Geschichte vom sinkenden Petrus“ (Matthäus 14) – hat mir im Leben sehr geholfen, Themen, wie Scheitern, Leid und Bedrückung besser zu verstehen.

Großartiges Wunder

Nachdem Jesus ein großartiges Wunder getan hatte, schickt er seine Freunde mit dem Boot „schon mal vor über den See“ (hier hätten die schlauen Leute schon mal stutzen müssen, denn: wie will Jesus eigentlich nachkommen?), damit er, Jesus, noch eine Zeit mit seinem himmlischen Vater verbringen kann. Nach einiger Zeit dann kommt er über das Wasser den Freunden hinterher. Die haben natürlich Angst und verstehen nicht, dass das Jesus war, obwohl der ihnen ja versprochen hatte nachzukommen. Petrus geht so weit, dass er sagt: „Ich glaube erst, dass du Jesus bist, wenn ich auch auf dem Wasser laufen kann…“ Und Jesus lässt ihn das Wunder sehen. Petrus steigt aus dem Boot – das Wasser trägt. Aber dann, als er sich dessen bewusst wird, dass die Naturgesetze klar sagen: „Das geht nicht, was du hier gerade machst“, fängt er an zu sinken.

Petrus schreit um Hilfe, und dann heißt es: „Sofort streckte Jesus ihm die Hand entgegen und hielt ihn fest!“

Gegen die Naturgesetze

Diese Geschichte hat auf allen Ebenen mit meinem Leben zu tun. Oft erkenne ich Jesus (oder das Handeln von Jesus) in meinem Leben nicht, obwohl er versprochen hat, bei mir zu sein. Auch ich hake oft nach und sage: „Beweise mir, dass du es bist, indem ein Wunder geschieht“ – und erlebe immer wieder, dass Jesus mir genau das schenkt. Und auch, nachdem ich Wunder Gottes erleben durfte, holt mich dann ebenso oft die „Realität“ ein, die sagt: „Das geht nicht, das ist gegen die Naturgesetze!“ Und auf allen Ebenen darf ich immer wieder erleben, wie Jesus mir seine Hand entgegen hält und mich festhält, wenn ich sinke und nach ihm rufe.

Scheitern

Ja, scheitern gehört zum Leben – auch eines Christen. Auch Schmerz gehört dazu, ebenso Leid und Tod. Aber es gehört auch dazu, dass die Hand von Jesus immer nur ein Gebet weit entfernt ist. „Christ zu sein bedeutet nicht, eine Lebens-Verbesserungs-Versicherung abgeschlossen zu haben!“ – aber Christ sein bedeutet: „You are not alone…“ (Du bist nicht allein.)

Bleib behütet und sei gesegnet!

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Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de