Menschen demonstrieren

Herz am rechten Fleck

Ich saß gerade im Büro unserer Gemeinde und unterhielt mich dort mit einem der Pastoren, als die Tür aufging und ein anderer Mitarbeiter hineinstürmte, um uns die Nachricht zu verkünden. Die ganze Kirche sieht dieser Tage aus wie ein Verteilzentrum für Hilfsgüter. Überall packen Menschen Kisten, sortieren Spenden und tragen Ladung für Ladung in den LKW für den Hilfstransport, der heute die Stadt – wie so viele andere auch – in Richtung polnisch-ukrainischer Grenze verlässt. Das alles bewegt mich wahnsinnig, aber das, was der Mitarbeiter zu erzählen hatte, war umwerfend. 

Ein Mann habe beim nahegelegenen Supermarkt für 900 Euro Dinge als Spende für den Hilfstransport gekauft – Windeln, Feuchttücher, Taschentücher, die Liste war lang. 

An der Kasse wurde er auf seine ungewöhnlichen Einkaufswagen angesprochen und erzählte vom Hilfstransport der Kirche. Sofort zückte ein Mitarbeiter seine Mitarbeiterkarte, woraufhin der Mann einen beachtlichen Rabatt erhielt. Zudem öffnete er sein Portmonee und gab ihm 100.- EUR. 

Die Mitarbeiterin an der Nachbarkasse beteiligte sich ebenfalls mit 50.- EUR – und als Kunden das sahen, zückten mehrere ihre Geldbörsen. Wir leben also doch noch in einem Land, von deren Bewohnern viele ihre Herzen am rechten Fleck haben.

Hilfsbereitschaft

Ich habe in den vergangenen Tagen bewegende Geschichten gehört, wie Menschen Geflüchteten aus der Ukraine helfen wollen. Ein Kind einer dritten Klasse erzählte, es hätte den Tag zuvor sein Sparschwein geschlachtet und wäre mit Mama für einen Hilfstransport, den die Sekretärin der Schule organisiert hatte, zum Einkaufen gegangen. 

Ein anderes Kind ist mit dem Bruder in ein Zimmer gezogen, damit die Familie Geflüchtete aufnehmen könnte. Die Solidarität ist wirklich großartig. Das tut auch deswegen gut, weil Deutschland der Ukraine unter Hitler unvorstellbares Leid zugefügt hatte. Nun reichen viele den Menschen dieses gebeutelten Volkes die Hand – viel mehr können wir ja – außer Beten und Zeichen setzen gegen den Krieg – im Moment leider nicht tun.

„Das Schlimmste steht noch bevor“

– verkündete der französische Präsident Macron. Wird die Solidarität bleiben? Werden wir weiter helfen, wenn Hunderttausende, vielleicht Millionen Ukrainer in die benachbarten Länder und auch nach Deutschland flüchten?

„Ich habe eine Schublade voller Powerbanks abgegeben“, sagte gestern jemand. Im Moment geben wir von unserem Überfluss für den Hilfstransport, es tut uns kaum weh. Ich hoffe und bete, dass wir immer noch geben, Hände ausstrecken, unterstützen und helfen, Liebe schenken und warme Decken, Zeit und Kraft, wenn es irgendwann auch für uns schwer wird, denn dann zeigen wir, wo unser Herz wirklich schlägt. 

„Weltgericht“

Jesus erzählt einmal seinen Jüngern, wie es sein wird, wenn das „Weltgericht“ kommen wird. Der König wird dann auf dem Richterstuhl sitzen und zu einigen sagen: „Kommt, ihr seid von meinem Vater gesegnet, ihr sollt das Reich Gottes erben, das seit der Erschaffung der Welt auf euch wartet. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig, und ihr gabt mir zu trinken. Ich war ein Fremder, und ihr habt mich in euer Haus eingeladen. Ich war nackt, und ihr habt mich gekleidet. Ich war krank, und ihr habt mich gepflegt. Ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht“ (Matthäus 25, 34-36).

Und als die Menschen den König fragten, wann die das denn getan hätten, antwortet Jesus: „Ich versichere euch: Was ihr für einen der Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan!“ (Matthäus 25, 40 HfA).

Natürlich helfen wir, die Not der Menschen zumindest ein Stück zu lindern, aber Jesus sagt, für ihn ist es so, als würden wir direkt ihm helfen, ihm Essen geben, ihn unterstützen. Das sollte ein weiterer Motivations-Schub sein – gerade, wenn es irgendwann nicht mehr „nur“ Abgeben von unserem Überfluss ist, sondern zum Opfer wird. 

Hör nicht auf, Gutes zu tun – oder fang damit bitte an!

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de