Menschengruppe beim Lobpreis

Verstehen oder Erfahrung?

Es gibt diesen alten Witz, der fragt: „Was ist der Unterschied zwischen dem Gebet in einem Casino und einem Gebet in der Kirche?“ Antwort: „Das Gebet im Casino ist ernst gemeint!“ Ich könnte eine zweite Frage stellen, die mit dem Gebet zusammenhängt: „Was ist wichtiger, das Wissen, also das Verstehen, oder die Erfahrung?“

Viele Christen stellen diese beiden Dinge gegenüber, als hätten sie wenig miteinander zu tun. Ich habe sogar mal ein kleines Heftchen in die Hand bekommen, in denen beschrieben wurde, dass es im Glauben in erster Linie um das Wissen, also um das Verstehen geht. Wissen und Verstehen wäre bei einer Eisenbahn die Lok, ohne die sich nichts bewegen kann. Dinge wie Erfahrungen und Gefühle dagegen wären eher wie Wagons, die nur von der Lok gezogen werden können.

Ich denke Wissen und Erfahrung stehen sich nicht gegenüber. Manchmal wirft die Erfahrung zwar alles Wissen und Verstehen über den Haufen – aber wenn ich es genau betrachte, dann bedingt das eine das andere. Wissen erlange ich, indem ich in der Bibel lese. Dabei erfahre ich, wie Gott ist, welche ethischen Maßstäbe er hat, was Sünde ist und wie ich Vergebung und Versöhnung finde. 

Durch dieses Wissen kenne ich Gott aber nicht. Ich habe mich nach dessen Tod sehr intensiv mit dem Journalisten und DDR-Politiker Günter Schabowski beschäftigt, habe mehrere seiner Bücher gelesen und mich sehr über sein Leben und seine Ansichten, besonders in der Zeit der friedlichen Revolution in der DDR informiert. Ich habe so einiges Wissen über Schabowski angehäuft, verstehe jetzt so Manches – aber kennen tue ich ihn deswegen nicht.

Wissen und Erfahrung sind wie die zwei Seiten einer Medaille. Jesus sagt in Johannes 4, 23-24 (NLB): „Aber die Zeit kommt, ja sie ist schon da, in der die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten. Der Vater sucht Menschen, die ihn so anbeten. Denn Gott ist Geist; deshalb müssen die, die ihn anbeten wollen, ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ 

Denken erneuern

Gott sehnt sich danach, dass wir ihn im Wissen (also im Verstehen) und der Erfahrung kennen, in Wahrheit und im Geist. Beides ist wichtig, beides ergänzt sich. Gott möchte, dass sich unser Denken erneuert, indem wir die Wahrheit in der Bibel erkennen. Das ist wiederkehrender Prozess, der Negatives so nach und nach aus meinem Ich verdrängt. 

Gott möchte aber ebenso, dass wir ihn erleben, ihn wirklich kennenlernen. Und der beste Weg dazu ist das Gebet. In Psalm 145, 18 (HfA) schreibt David: „Der Herr ist denen nahe, die zu ihm beten und es ehrlich meinen.“ Also mag es sein, dass Gott dem einen oder anderen im Casino näher ist, als manchem in der Kirche – um bei dem etwas provokanten Witz vom Anfang zu bleiben.

Herz oder Kopf

Ein Gebet, das ehrlich gemeint ist, ist Garant dafür, dass Gott dir nahe ist. Wenn du dein Herz im Gebet öffnest und Gott darum bittest, dich mit seinem Geist anzurühren, dann wird er es tun. Es mag sein, dass dein Wissen und dein Verstehen dir dabei im Weg stehen – denn der Verstand mag sagen, dass das schwierig ist, dass Gott gerade mir begegnet. Aber Gott wird sein Versprechen einlösen. 

Leider konnte ich zu keiner Lesung von Günter Schabowski mehr gehen. Ich hätte gerne mit ihm gesprochen, ihm gerne die eine oder andere Frage gestellt, ihn gerne persönlich kennengelernt. Bei Gott ist das anders. Er ist denen nahe, die ernsthaft beten.

Was geschieht, sind zwei Dinge: Wenn du die Bibel liest und betest (verstehen und erfahren), dann wird Gott selbst sich dir offenbaren, wird selbst zu dir sprechen. Er hat versprochen, dass sein Geist uns die Wahrheit lehren wird, damit wir ihn, Gott, kennenlernen können. 

Es ist also keine Frage von Herz oder Kopf – obwohl eins das andere hier und da überraschen kann. Es ist eher Herz und Kopf – verstehen und erfahren. Beides ist richtig, beides kann aufregend sein, beides verändert mein Leben positiv. 

Lasst uns also das Gebet wirklich ernst nehmen, als wären wir im Casino (auch, wenn ich das nicht zu 100 % nachempfinden kann, denn ich war noch nie in einem…). Lasst uns ehrlich werden vor Gott, uns öffnen und ihm die Chance geben, in unser Leben hinein zu antworten.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de