Gesicht einer alten Frau mit tiefen Furchen und Lächeln

Freundliche Gesichter

Wahrscheinlich bin ich im Urlaub entspannter als zu Hause, dass mir manche Kleinigkeiten auffallen, die mir sonst entgehen. Vielleicht steckt aber auch ein Stückchen Wahrheit hinter meiner Beobachtung: Ich habe den Eindruck, dass gerade in vielen südlichen Ländern mehr ältere Menschen herumlaufen, die freundliche Gesichter haben, als bei uns. 

Das Leben hinterlässt – ganz klar – Spuren in unserem Gesicht. Wir haben Falten, die uns das Lachen ins Gesicht geschrieben haben, aber auch Falten der Trauer und Sorge. Bei manchem Alten, dem ich ins Gesicht schaue, erfreuen mich tiefe Furchen neben den Augen, die vom vielen Lächeln und Lachen das Gesicht des Menschen sanftmütig erscheinen lassen. 
 
Wenn ich auf Zypern zum Beispiel durch alte Bergdörfer fahre, dann sehe ich sie. Senioren sitzen zusammen, unterhalten sich, spielen Schach oder Backgammon – und in vielen dieser Gesichter ist diese Zufriedenheit und Sanftmut zu lesen.

Ich will damit natürlich nicht die Herzen dieser Menschen vorschnell beurteilen, aber ich schaue halt lieber in ein fröhliches, als in ein mürrisches Gesicht. „Das Leuchten der Augen erfreut das Herz“ (Sprüche 15, 30 HfA), schreibt der weise König Salomo.

 

Zypern

Dabei ist es nicht so, dass das Leben auf so einer wunderschönen Insel, wie Zypern, ein Garant für ein Leben ist, das fröhliche, genügsame Spuren im Gesicht der Menschen hinterlässt. Gerade die Alten hier haben viel Leid miterlebt. 

Als 1974 die türkische Armee einmarschierte und einen Teil des Landes besetzte und es damit völkerrechtswidrig faktisch teilte, wurden Tausende Zypern-Griechen vertrieben, verloren ihr Hab und Gut, viele sogar ihr Leben. 
 
Bis heute werden Christen im besetzten Norden unterdrückt, Klöster und Kirchen wurden geplündert und verwüstet, zum Teil sogar niedergebrannt oder sie werden als Viehställe und Lager missbraucht. Systematisch und gewaltsam wird das christliche Kulturerbe zerstört und die Teilung der Insel manifestiert. (Übrigens werden – nur am Rande erwähnt – umgekehrt sehr viele Moscheen im Süden des Landes weiterhin genutzt und wenn nicht, zumindest als Kulturgut gepflegt und erhalten.)

Wenn man sich mit den Menschen hier unterhält, erfährt man viel Leid, dann werden die Gesichter auch schon mal ernst, oft traurig. 

 

Nicht vergessen – aber vergeben

Dennoch scheint es, als hätte Gott den Menschen ein freundliches Gesicht passend zur urigen, umwerfenden Natur, in der sie leben,  geschenkt. Oder aber, und das halte ich für wahrscheinlicher, es liegt (mit) daran, dass die Menschen hier ihren Glauben sehr ernst nehmen und aus der Vergebung leben und so lernen zu vergeben und loszulassen. Nicht vergessen – viele Zyprioten, mit denen ich gesprochen habe, hoffen auf eine Wiedervereinigung – aber vergeben.

Auf jeden Fall schaue ich gerne in diese furchigen, freundlichen Gesichter und unterhalte mich gerne mit diesen Menschen. Und ich denke mir dann: Wenn meine Falten noch tiefer werden, was wird man aus meinem Gesicht lesen? Freude und Sanftmut oder Verbitterung und Ärger? 

Der Theologe Helmut Thielicke hat einmal gesagt: „Nur wer das Ende aller Dinge kennt, kann über das Chaos lächeln.“ Wie recht er doch hat. Wir haben es selbst in der Hand. Oder, wie ein altes Sprichwort sagt: „Gott hat dir ein Gesicht gegeben. Lächeln musst du selbst.“

 

Furchen im Gesicht

Ich zumindest werde jetzt ab und an in den Spiegel schauen und beobachten, in welche Richtung meine Falten sich entwickeln – und dann, wenn nötig – versuchen, gegenzusteuern: mehr aus dem Herzen heraus lächeln und weniger Sorgen und Ärger die Kontrolle über meine Mimik haben lassen, denn: Furchen im Gesicht sind schön, wenn sie von Heiterkeit und Sanftmut geprägt sind. 

 
Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleitenhttps://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de