trauriger Mann mit grauer Mütze

Menschen in Jemen

Als ich vor ein paar Tagen in einem sozialen Netzwerk unterwegs war, traf mich fast der sprichwörtliche Schlag. Jemand hatte Fotos von hungernden Menschen aus dem Jemen eingestellt, die durch den Bürgerkrieg alles verloren haben. Die Autorin warb mit dem Beitrag für eine Hilfsorganisation, die sich trotz des Krieges und der Gewalt um die Menschen im Jemen zu kümmern versucht.

Die Bilder waren wirklich erschütternd. Was mich aber noch mehr erschütterte, war der Kommentar eines Mannes unter der Bildergalerie. Er schrieb, die Autorin solle solche Beiträge doch lassen. Es könne nicht angehen, dass Deutschland immer die „Melk-Kuh“ der Welt sei.

Situation an Berliner Schulen

Nur ein oder zwei Beiträge darunter diskutierten Menschen über die Situation an den Berliner Schulen. Besonders den Grundschülern wurde ein tiefes Mitgefühl entgegengebracht, dass sie im Schulalltag Masken tragen müssten. Besonders bewegt reagierten die Schreiber beim Thema Selbsttest für Schüler. 

Tenor: Es wäre doch den armen Kindern nicht zuzumuten, im Klassenzimmer nebeneinander zu sitzen mit einem Teststreifen vor sich auf dem Tisch und zu warten, bis dieser ein Ergebnis vom Corona-Schnelltest zeige. Und was wäre dann mit den Kindern, deren Test dann positiv sei? Was würde man den Kindern antun, wenn sie dann in einen extra-Raum geführt werden würden, wo sie auf ihre Eltern warten müssten?

Die Menschen, die dort in dem sozialen Netzwerk miteinander sprachen, hatten wirklich Sorge um die Kinder, obwohl sie augenscheinlich schlecht informiert waren, denn Selbsttests sollen zum einen für zu Hause mitgegeben werden, Kinder die einen Verdacht auf ansteckende Krankheiten haben, werden zudem seit eh und je in einen separaten Raum gebeten, wo sie auf ihre Eltern warten, die sie dann abholen. 

Sind wir abgestumpft?

Und dass Kinder davon einen Schaden erleiden würden, habe ich noch nie gehört – maximal vielleicht von überbesorgten Eltern. Ich weiß es nicht.

Es stellt sich mir die Frage: Warum haben Menschen ein Mitgefühl mit Kindern, die es ja wirklich gerade nicht einfach haben in der gegenwärtigen Schulsituation, reagieren aber ablehnend bei anderen Kindern, die augenscheinlich kurz vor dem Verhungern sind? Mir geht es dabei weniger um die Frage, wo wir alle helfen könnten und sollten, als vielmehr um die Frage: Was ist eigentlich los mit unsrem Herzen, dass uns das eine Bild bewegt, das andere nicht? 

Ist ein Kind in unsrem Umfeld, das unter dem Masken-Tragen leidet und einen Selbsttest mit nach Hause nimmt, es mehr wert, dass wir innerlich bewegt sind, als ein Kind, das am Verhungern ist und in einem Land lebt, das durch Bürgerkrieg und Terror geprägt ist?

Oder sind wir angesichts, der immer wiederkehrenden Bilder leidender Menschen in Funk und Fernsehen schon ein Stück abgestumpft? 

Voller Mitgefühl

Jesus war ein Mann, der voller Mitgefühl war. So heißt es zum Beispiel: „Als Jesus aus dem Boot stieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen…“ (Markus 6, 34 HfA)  

Die Not und das Leid anderer lässt ihn nicht kalt, sondern trifft ihn tief ins Herz. Lukas schreibt: „Als Jesus die Stadt Jerusalem vor sich liegen sah, weinte er über sie“ (Lukas 19, 41). Jesus fühlt mit, weil er liebt. Jesus leidet, wenn Menschen leiden. Jesus berührt es innerlich sehr, selbst wenn Menschen ihm den Rücken zuwenden und in die Irre laufen.

Seine Liebe und sein Mitgefühl gehen so weit, dass er sogar für die betet, die ihn umbringen. Noch am Kreuz bittet er für seine Peiniger, weil er weiß, dass sie sich eines Tagen für das, was sie taten, verantworten müssen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23, 34 HfA).

Jesus war Gottes Sohn – er konnte das Leid der Welt tragen, das können wir sicherlich nicht. Aber ein wenig mehr Mitgefühl täte uns allen gut – für die einsame Nachbarin, den Schüler, der gemobbt wird, die alleinerziehende Mutter, die nicht weiß, wie sie über die Runden kommen soll, aber auch für den jähzornigen Gemeindeleiter, den ungezogenen Bengel in der S-Bahn und die Prostituierte, die ihren Körper auf der Straße wie eine Ware anbietet – genauso, wie durch den Krieg gebeutelte Menschen und hungernde Kinder. 

Die Welt mit Jesus Augen sehen

Jesus ähnlicher zu werden bedeutet, die Welt mehr mit seinen Augen zu sehen und mit seinem Herzen zu fühlen. Dazu fordert er selbst uns auf: „Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!“, (Lukas 6, 36 HfA) predigt Jesus bei seiner berühmten Predigt auf dem Berg.

Wie genau die Reaktion aussehen, wenn wir ein weiches, mitfühlendes Herz bekommen, wird bei jedem ein Stück anders sein. Einer wird vielleicht in die Flüchtlingsarbeit in den Jemen fliegen, ein anderer wird mit einem Stück Kuchen die einsame Nachbarin besuchen, wieder ein anderer wird vielleicht in einem Brennpunkt Nachhilfe anbieten und ein anderer sich in der Politik einbringen. 

Ich bin mir aber sicher: Es wird uns bewegen, wenn Gott uns bewegt. 

Und es täte uns und unserer Welt gut, wenn wir alle etwas mehr Mitgefühl, Barmherzigkeit, Liebe hätten.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de