Eine eine erleuchtete Stadt am Abend

In die Ferne

Es ist jetzt fast genau 30 Jahre her, als ich mich mit meiner damals über 90-jährigen Uroma zu einem großen Abenteuer in ihre alte Heimat nach Schlesien ins heutige Polen aufmachte. Ich hatte damals gerade meinen Führerschein frisch in der Tasche und besaß die erste Klapperkiste von Auto. Damit sollte es also in die Ferne gehen. 

Meine Uroma kam aus einem kleinen Dorf nicht weit von Breslau entfernt. Bis dorthin war es kein Problem. Auf den Autobahnen und Landstraßen gab es große Schilder, auf denen die große Stadt angeschlagen war. Von Breslau aus mussten wir nach Wałbrzych (ehemals Waldenburg). Immerhin auch noch eine Großstadt. 

Aber, je mehr wir uns von Breslau entfernten, desto größer wurde mein ungutes Gefühl im Magen. Die Straßen wurden schlechter und die Beschilderung ließ auch immer mehr zu wünschen übrig. Meine Uroma hatte gute Laune. Sie machte sich keine Sorgen. 

Finden wir den Weg?

Von Waldenburg sollten es dann noch einmal 14 km bis in das kleine Heimatdorf sein, aus der meine Uroma stammte. Wie sollten wir den Weg nur finden? Zumal wir nur den alten deutschen Namen kannten – Internet, Google-Maps und Co. waren zu dieser Zeit Zukunftsfantasien.

Meine Uroma strahlte. Sie würde den Weg von Waldenburg ganz sicher finden, sagte sie immer wieder. Immerhin war sie diesen als kleines Mädchen unendliche Male gegangen. 

Wir kamen nach Waldenburg, als es langsam anfing zu dämmern. Und auch mir dämmerte es ziemlich schnell – es dauerte nämlich nur wenige Minuten, und wir waren in dieser Stadt verloren. Wir fuhren mal nach rechts – und hatten das Gefühl, links wäre vielleicht besser gewesen. Dann fuhren wir nach links und meinten, vielleicht wäre die andere Richtung doch die richtige gewesen. 

Komisch, dass die Plätze, an denen wir vorbeikamen, sich alle so ähnelten. Meine Uroma war 70 Jahre nicht mehr ihn ihrer Heimat gewesen – und erkannte weder Häuser noch Straßen. Nachdem wir also unzählige Male im Kreis gefahren und immer wieder an dieselben Orte gekommen waren, merkten wir schnell, dass wir aus eigener Kraft keine Chance hatten, auch nur den Weg aus dieser Stadt wieder herauszufinden. 

Verloren gehen!?

Als wir eine Polizeidienststelle entdeckten, hielten wir also an. Aber wie sollten wir uns verständigen? Wir sprachen absolut kein Wort Polnisch – von den Beamten konnte man so kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs maximal Russisch als Fremdsprache erwarten. 

Aber es gab eine Lösung. Die Polizisten telefonieren mit einer deutschstämmigen Frau, die uns am Telefon Wegweisung zu sich nach Hause gab. Sie bot uns nicht nur an, bei ihr über Nacht zu bleiben, sondern leitete uns sicher am nächsten Tag in das Örtchen Bärsdorf, das wirklich nur 14 km von Waldenburg entfernt war. 

Wenn du dich verloren fühlst, dann kann dir niemand helfen, der auch nicht weiß, wo es langgeht, der die fremde Sprache, die am Ort gesprochen wird, auch nicht spricht. Du brauchst jemand mit einer höheren Kompetenz, jemand der sich auskennt. Und dann solltest du diesem vertrauen. Wenn du dann doch wieder in die Richtung fährst, in die dich dein Bauchgefühl leitet, dann war schnell alle Mühe umsonst, dann gehst du wieder verloren – nur eben an einer anderen Stelle. 

Im 1. Petrusbrief lesen wir: „Meine lieben Freunde! Ihr wisst, dass ihr in dieser Welt Fremde seid; sie ist nicht eure Heimat“ (1. Petrus 2, 11 HfA). Mit dem Ziel, auf das wir hin-leben und mit den Werten, die wir haben, sind wir Fremde in dieser Gesellschaft. Wenn wir dafür stehen, dass z. B. Familien nicht zerbrechen, dass Nächstenliebe eine hohe Priorität hat, dass Ehrlichkeit über Unehrlichkeit siegt, dann brauchen wir uns nur umzuschauen und sehen schnell, dass wir anders sind, als viele. 

Eine gute Seele

Und dann brauchen wir eine „gute Seele“, die uns an die Hand nimmt und uns den Weg zeigt – nicht zum Scheidungsgericht, sondern zu Türen, die helfen, dass Ehen funktionieren, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir kommen oft an unsere Grenzen und laufen im Kreis, wissen nicht weiter und finden keine Orientierung. 

Sind wir bereit, Gott so zu vertrauen, wie einem Fremden in einem Land, in dem wir die Sprache nicht sprechen und uns verlaufen haben? Lassen wir uns von Gott ebenso den Weg zeigen, wie von einem Fußgänger, der uns den Weg aus der Stadt nennt? Oder hören wir doch wieder auf unser Bauchgefühl und gehen wieder und wieder verloren. 

Und warum fällt es uns eigentlich leichter, jemandem am Straßenrand zu vertrauen, den wir nach dem Weg fragen, als Gott, der seine Liebe zu uns so oft bewiesen hat? Wenn du erkannt hast, dass du Wegweisung in deinem Leben brauchst, dann bitte Gott darum, dir den Weg zu zeigen – und dann vertraue ihm und geh den Weg.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de