Individualismus, Selbstverwirklichung, Egoismus
Wir leben in einer Zeit, in der Individualismus und Selbstverwirklichung großgeschrieben wird. Es fällt uns Menschen zunehmend schwerer, uns als Individuum in Gruppengefüge einzupassen oder uns gar anderen unterzuordnen. Schnell fühlen wir uns in unseren „Persönlichkeitsrechten“ eingeschränkt. Das hat zur Folge, dass es weniger Menschen zu geben scheint, die sich Gruppen fest anschließen.
Das spüren nicht nur Vereine und Parteien, auch in Gemeinden nimmt die Zahl derer, die sich verbindlich entscheiden und dann gemeinsam durch dick und dünn gehen, eher ab und die Fluktuation zu.
Woran wird die Wahrheit festgemacht?
Besonders auffällig ist der Trend zum Individualismus in Diskussionen zu erkennen. Wahrheit wird daran festgemacht, welche Quellen ich dafür zitiere, welcher Meinung ich bin – und schnell fühle ich mich eingeschränkt, möchte ich dies oder das oder möchte dies oder das nicht.
Und immer wieder wird von Christen dann das Wort aus der Schrift zitiert: „Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen!“ (Apostelgeschichte 5, 29b LUT). Dabei wird der Vers dann oft als Waffe benutzt gegen alles, was mir als Individuum widerstrebt. Zur Zeit sind es oft die Corona-Maßnahmen der Regierung oder die Frage nach der Impfung.
Mein Eindruck ist, dass Gott so oft als schönes Bollwerk genutzt wird, hinter dem ich mich verstecken und den ich als Schutzschild nutzen kann. Die Frage sollte in diesem Fall lauten: Habe ich denn einen klaren Auftrag von Gott, den ich höher achte als das, was Menschen sagen oder geht es mir um meine Meinung und mein Ich? Das ist eine gute Frage, mit der man schnell in ein Wespennest sticht.
Gott mehr gehorchen…
Wenn ich als Christ hochhalte, dass ich Gott mehr gehorche, als den Menschen, dann bedeutet das auch, dass für Egoismus in meinem Leben eigentlich kein Platz mehr ist, denn als Christ gehöre ich eben nicht mehr mir selbst, sondern Jesus.
Das bedeutet, dass mein Ego (Egoismus), mein Ich, nicht mehr frei ist zu entscheiden, was Ich als richtig und falsch ansehe. Das mag jetzt hart klingen, aber war es nicht unser Ego, das uns immer wieder zur Sünde getrieben hat? Wie kann ich dann mein Ich jetzt wieder überhöhen, als wäre es wichtiger, als alles andere und es dann auch noch hinter fromme Worte verstecken?
Wir mögen intellektuell schnell glauben. Es ist ja auch ein tröstlicher Gedanke, mit Gott versöhnt leben zu können, zu ihm sprechen zu können, seinen Segen zu erleben und vor allem auf eine herrliche Ewigkeit bei ihm zuzusteuern.
Aber wie sieht das praktisch aus? Paulus, der sich selbst „Diener Christi“ (Galater 1, 10 und andere) nennt, was eigentlich vom Urtext her „Sklave Jesu“ bedeutet, schreibt: „Wer aber dem Herrn gehört, ist ein Geist mit ihm. (…) Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes in euch ist, der in euch lebt und euch von Gott geschenkt wurde? Ihr gehört nicht euch selbst, denn Gott hat einen hohen Preis für euch bezahlt“ (1. Korinther 6, 17-20 NLB).
Der große Theologe und Pastor Dr. Charles Stanley schreibt dazu: „Das bedeutet, dass unser Verstand, unser Wille, unsere Wünsche, Zuneigungen, Beziehungen und unser Besitz alle Mittel sind, mit denen wir unseren Erretter ehren oder entehren“ (www.intouch.org).
Um dem Herrn zu gefallen, müssen wir unser Denken verändern, denn wir können unser Ich (unseren Egoismus) nicht mehr auf den Thron setzen und gleichzeitig Jesus als Herrn haben. Dort ist nur Platz für einen. Unsere Tendenz ist leider, dass wir immer wieder tun wollen, was wir für richtig erachten, aber das ehrt nicht immer Gott – und tut uns nicht immer gut.
Vielleicht ist es gut sich immer wieder zu fragen: Was ist der Wille Gottes? Wie ehre ich ihn? Und wegzukommen von meinem Individualismus. Das mag uns widerstreben, das ist nicht leicht, aber es ist der richtige Weg.
Sei gesegnet!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de