Zwei Frauen sitzen auf einer Mauer und schauen auf die Stadt

Mitfühlen und mitleiden

Es war wieder eines der Gespräche, die mir bis durch Mark und Bein gingen, als ich mich gestern mit einem Freund über die Situation in der Ukraine unterhielt. Er ist mit einer Ukrainerin verheiratet und wartet darauf, dass zumindest seine Schwiegermutter in Berlin ankommt. „Dieser Krieg“, so sagt er, „hat unser Leben von einem Tag zum anderen auf den Kopf gestellt!“

Das kann ich mir vorstellen. Wenn ich sehe, wie oft ich mit den Tränen kämpfen muss als jemand, der keine Angehörigen in der Ukraine hat, kann ich nur erahnen, was diejenigen durchmachen müssen, deren Männer, Mütter, Geschwister oder Freunde noch vor Ort ausharren.

Ich weiß nicht, ob ich die Kraft hätte, morgens aus dem Bett zu kommen und mutig und fröhlich in den Tag zu starten. Ich verstehe jeden, der das Gefühl hat, eine dicke Wolke der Depression raube ihm die Freude am Leben und sauge alle Kraft aus ihm heraus. 

Das ist doppelt traurig, denn es ändert zum einen ja leider nichts an dieser furchtbaren Situation, zum anderen wird dadurch ein zweites Leben zerstört, nämlich das Leben des Menschen, der so mitleidet. Und daran hängen wieder andere Leben, nämlich die Leben derer, mit denen der Mensch zu tun hat und die mitfühlen und mitleiden.

Gefühe rauben uns die Freude

Es ist ein Drama – und absolut verständlich. Und wenn es jemanden gibt, der sich mächtig die Finger reibt, dann ist es der, den die Bibel Teufel oder Satan nennt, denn der fährt einen doppelten Triumph ein.

So hart wie es klingt und so verständlich, alle Gefühle der Ohnmacht und Depression sind – sie rauben uns unsere Freude am Leben. Aber wir haben nur dieses eine Leben – und wenn wir es zulassen, dass Gefühle uns die Freude daran rauben, dann ist das wirklich dramatisch. 

Vor Jahren besuchte ich eine Frau in einem Hospiz, die unheilbar krank war. Ich sollte mit ihr ihre eigene Beerdigung vorbereiten. Als ich im Auto saß, hatte ich mehr als mulmige Gefühle, aber das änderte sich schlagartig, als ich die Tür zu ihrem Zimmer auftat. 

Da saß im Bett eine Frau meines Alters und lachte gerade schallend. Und auch, während wir darüber sprachen, wie sie denn ihre Trauerfeier gestaltet haben wollen würde, lachte sie immer wieder. Sie sagte: „Ich sterbe doch eh bald. Wenn ich mir meine letzten Tage, die ich vielleicht habe, noch dadurch versauere, dass mich meine Gefühle zu Boden drücken, ändere ich ja nichts an der Tatsache, dass ich sterben muss. Meine letzten Tage sind dann eben nur blöd!“ Und wieder lachte sie. 

Entscheidung

Ich werde diese Frau nie vergessen. Sie hatte noch ein paar glückliche und erfüllte Monate – und sie hatte so recht in dem, was sie sagte. Wenn ich es zulasse, dass ich meinen Sorgen, meiner Angst, meiner Trauer, den schlechten Nachrichten oder sonst irgendetwas Negativem so viel Raum gebe, dass sie mich auf den Boden drücken, dann ändere ich nichts an den Dingen, die mir das Leben schwermachen, mache mir das Leben aber noch schwerer, indem ich mir meine Kraft und meine Freude zusätzlich rauben lasse. 

Das Gegenteil dazu ist – so hart, wie es klingt – dass ich morgens Gott bewusst meinen Tag hinhalte. David hat das so ausgedrückt: „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein“ (Psalm 118, 24 LUT). 

Das ist eine Entscheidung, die sagt: „Auch, wenn alles um mich herum dunkel ist und ich mehr als Grund genug habe zu verzweifeln, ich will und werde auf die Güte Gottes vertrauen, darauf, dass er mich liebt und mich trägt, darauf, dass er auch mein Leben erfüllen und zum Sieg führen möchte und darauf, dass ich wissen darf, dass es einst bei ihm in einer wunderbaren Ewigkeit enden wird!“

Für diese Entscheidung braucht es ein Wunder – aber dafür ist Gott ja bekannt!

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de