Ein Mensch läuft auf der Straße

Vorbilder?

Es ist 20 Minuten vor 8:00 Uhr. Vor der Schule meiner Tochter stehe ich neben dem Zebrastreifen und verabschiede mich gerade, als ein grauer Sportwagen fast ein Kind umfährt. Mit überhöhter Geschwindigkeit missachtet er Kinder und Schild und Markierung auf der Straße und rast die Straße entlang. 

Nur fünf Minuten später sehe ich dasselbe Fahrzeug auf dem Bürgersteig stehen. Ein Mann lässt seine jugendliche Tochter aus dem Auto und verabschiedet sich auch von ihr. Ich spreche den Mann freundlich an und weise ihn darauf hin, dass er in der Tempo 30 Zone fast ein Kind auf dem Zebrastreifen überfahren hätte. Seine Antwort: „Halt’s Maul du Penner, was willst du denn?“ Mir entgleiten die Worte: „Was sind Sie nur für ein Vorbild für ihre Tochter?“

Anderer Ort, andere Begebenheit. Ich laufe durch den Park und sehe eine Familie, die gerade ein kleines Picknick veranstaltet. Eigentlich eine wunderbare Sache, hätte sie nicht den faden Beigeschmack, dass Eltern wie Kinder ihren Müll einfach neben sich auf die Wiese werfen.

Eine dritte kleine Begebenheit. Wir wollen für die Familie ein Eis kaufen. Unser Lieblings-Eisladen ist wie immer gut besucht. Eine ziemlich lange Schlange schlängelt sich über den Gehweg. Wir wissen: Das dauert nicht lange und stellen uns an. Mitten in der Warteschlange holen Eltern plötzlich ihre Zigaretten raus und zünden sich jeder eine an. Die Menschen (auch Kinder) um sie herum werden von ekeligem Qualm eingenebelt. 

Nachmachen

Bei all diesen Gelegenheiten (und vielen mehr, von denen ich berichten könnte), denke ich mir oft: Was soll nur aus den Kindern dieser Eltern werden? Wie sollen Kinder lernen, sich an Regeln zu halten, wenn Eltern es nicht tun? 

Die selben Eltern, die sich auf Behinderten-Parkplätze stellen oder ins absolute Halteverbot und den Verkehr blockieren, die auf der Autobahn rasen und drängeln, die unflätig mit anderen sprechen, ihren Müll auf die Straße werfen, sich nicht an Corona-Regeln halten, am Spielfeldrand vom Fußballplatz ausrasten – wundern sich, dass ihre Kinder es ihnen nachmachen. 

Viele wundern sich auch gar nicht. Bei einem Elterngespräch musste ich mir anhören, dass es doch sicherlich mein Fehler ist, wenn der Sohnemann sich in der Schule nicht benehmen kann. Dass er ständig in die Klasse brüllt, seine Mitschüler beleidigt, mitten im Unterricht aufsteht und durch die Gegend rennt – das alles wären doch Zeichen meiner fehlenden Qualifikation. Und auch die Tatsache, dass 150 andere Schüler das anders sehen würden, lassen die Eltern nicht gelten.

Ich müsse halt lernen, auf ihren Sohn mehr und seine individuellen Bedürfnisse einzugehen. 

Sei ein Vorbild

Ich frage mich: Was soll aus diesen Kindern nur werden? Wie sollen Kinder moralische Standards lernen oder gar die Kompetenzen für ein friedliches Miteinander, wie Toleranz oder Fairness, wenn sie keine Vorbilder haben. 

Und ich muss mich fragen: Was für ein Vorbild bin ich eigentlich, denn ich weiß, auch meine Kinder übernehmen viel von dem, wie ich lebe, was ich sage oder wo ich mich an Regeln halte und wo nicht? Paulus schreibt seinem Schüler Timotheus: „Sei allen Gläubigen ein Vorbild in dem, was du lehrst, wie du lebst, in der Liebe im Glauben und in der Reinheit!“ (1. Timotheus 4, 12 HfA)

Ich weiß, ich kann andere Menschen nicht verbessern (das sollte ich auch gar nicht versuchen). Was ich aber kann, ist, selbst ein Vorbild zu sein. Immerhin haben vor 2000 Jahren 12 Männer die Welt verändert, weil sie das, was sie predigten, auch gelebt haben. 12 Männer haben die Botschaft von Jesus verbreitet – heute ist der christliche Glaube an allen Ecken bekannt. 

Ich habe die Verantwortung für die Welt, denn ich habe die Verantwortung für meine Umwelt, für meine Kinder, für meine Familie und für die Menschen, die Gott mir in meinem Alltag über den Weg schickt. Und auch mir gelten die Worte des Paulus: „Sei allen ein Vorbild!“

Wow, was für eine Verantwortung – aber die Erkenntnis ist ein erster Schritt, denn: Neue Vorbilder braucht das Land. Lass uns eines davon sein und werden. 

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de