Bein auf der Wiese mit Schlamm

Ein Brief

Vielleicht lag es an seiner wirklich radikalen Wandlung vom Christenverfolger hin zum glühenden Missionar, aber der gute Paulus hat so einiges geschrieben, was sehr herausfordernd ist. An die Gemeinde in Korinth – knapp 100 km von Athen entfernt – schreibt er einen Brief, in dem er sehr deutlich auf Missstände aufmerksam macht, sehr klare Anweisungen gibt und energisch auf Änderungen drängt. So manches kann man auch heute noch nachvollziehen, aber ein kurzer Satz bringt mich schnell an meine Grenzen. 

Da schreibt Paulus: „Strebt nach der Liebe“ (1. Korinther 14, 1 LUT). Im griechischen Originaltext steht: „Trachtet nach der Liebe„. Schwer zu verstehen, denn das Wort „trachten“ nutzt man heute ja kaum noch. Im Openthesaurus werden Synonyme verwandt, wie: „etwas (erreichen) wollen (Hauptform) · abzielen (auf) · anpeilen · anstreben · anvisieren · (sich etwas) auf die Fahnen geschrieben haben (fig.) … · sinnen (auf) (geh., veraltend) · trachten (nach) (geh., veraltend) · willens sein (geh.) · hinter etwas her sein (ugs.)“. 

Liebe anstreben – trachten

Wie bitte soll das denn gehen? Wie kann jemand die Liebe anstreben, anvisieren, erreichen, nach ihr streben wollen? Heißt das, dass ich durch die Welt laufen und mich umschauen soll, wen ich lieben kann? Oder eine Annonce aufgeben („Ich strebe gerade nach der Liebe und suche jemanden dafür“)? Liebe ist doch ein Gefühl, Liebe ist doch ein Geschenk, wie kann ich danach trachten?

So schön es ist, verliebt zu sein, gute Gefühle im Bauch zu haben und auf „Wolke sieben“ zu schweben, so wenig spricht Paulus hier von Gefühlen. Aus Liebe zu uns hat sich Jesus an ein Kreuz schlagen lassen. Er hatte mit Sicherheit andere Emotionen, als Schmetterlinge im Bauch, als er dort so furchtbar leiden musste. Dennoch spricht er mitten im Schmerz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23, 24 LUT). 

Die Liebe, die Jesus gezeigt hat, ist eine Liebe, nach der wir Menschen streben können. Gott weiß, dass es Menschen gibt, die uns das Leben schwer machen, die wir nun wirklich nicht „lieben“ können. Gott sagt: „Liebe sie trotzdem, strebe nach der Liebe auch zu ihnen!“

Drei Schritte sind dazu notwendig: 

1. Wenn Paulus uns auffordert, nach der Liebe zu streben, dann sollten wir nach der Liebe streben. Das hat erst einmal mit meinem Bewusstsein zu tun. Wenn mir bewusst wird, wo ich überall nicht liebe, dann kenne ich genügend Baustellen in meinem Leben. 

2. Liebe hat etwas mit Taten zu tun. Gott erwartet von uns nicht, dass wir überschwängliche Gefühle für Menschen haben, die wir eigentlich nicht leiden können. Es gibt einfach Menschen, die uns die Laune verderben, wenn wir ihnen begegnen oder auch nur an sie denken. Behandle sie dennoch liebevoll. Das ist eine Entscheidung, das ist Streben nach Liebe.

3. Wenn ich mir dessen bewusst bin, dass es genügend Menschen gibt, die ich nicht liebe und mich entscheide, es dennoch zu tun, dann komme ich schnell an meine Grenzen. Besonders, wenn ich mich bemühe, liebevoll agiere und dennoch Ablehnung erlebe – oder Ignoranz, was ich persönlich schlimmer finde. Wo ich an meine Grenzen komme, da fängt Gott an. Bitte Gott, dich mit seiner Liebe zu erfüllen, denn Gott ist Liebe. 

Lieben oder nicht lieben

Paulus schreibt einen kleinen, bemerkenswerten Satz, der vieles verändert, wenn wir ihn befolgen. Natürlich ist es einfacher, einfach so weiterzumachen, wie bisher – zu lieben, wen wir lieben, und nicht zu lieben, wen wir nicht leiden können. Aber das hat Folgen für unser Herz. Wir werden leicht bitter, vergrämt, ziehen uns Verletzungen zu und lassen dem Groll und Ärger Raum in unserem Herzen. 

Und das ist alles andere als gut. Suche dir heute einen Menschen aus, der in deinem Leben eher Belastung ist als Bereicherung. Bete für diesen einen Menschen und bitte Gott, dass er dich mit solch einer Liebe erfüllt, dass du sogar diesen anderen Menschen liebevoll behandeln kannst. 

Und dann geh los und liebe!

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleitenhttps://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de