Bibel liegt aufgeschlagen auf dem Tisch

Taktik

Es hat eine Weile gedauert, aber dann habe ich doch irgendwann meine Kinder durchschaut. Von wem sie das wohl haben, ein ganzes Stück gerissen zu sein? Es gab eine Phase, da haben sie, wenn sie zu etwas keine Lust hatten, so getan, als würden sie es nicht verstehen. Sie schauten mich mit großen Augen an und zuckten mit den Schultern.

Irgendwann kam ich aber dahinter, dass es eine Taktik war. Sie wussten, wenn sie mir signalisierten, sie würden etwas nicht schaffen oder nicht verstehen, dann würde Papa schon mithelfen. Zimmer aufräumen ist so ein Beispiel. „Papa, das ist viel zu viel. Das schaffe ich nicht! Außerdem komme ich oben an die Regale nicht heran. Ich brauche deine Hilfe…“

Also bin ich mit ins Zimmer gegangen und habe angefangen „mit“ aufzuräumen – nur, um nach wenigen Minuten zu sehen, dass meine Kinder schon wieder am Spielen waren und ich alleine aufräumte. Schlauer Schachzug.

Ob ich ihnen diesen Charakterzug vererbt habe, weiß ich nicht, oder wo und wann sie ihn bei mir entdeckt haben, aber ich weiß, dass ich solche Anwandlungen auch habe. Nicht unbedingt, wenn es darum geht, mein Arbeitszimmer aufzuräumen.

Sehr aufregend

Ich kann mich daran erinnern, wie ich recht frisch im Glauben war. Ich war Anfang 20 und fand vieles sehr aufregend – nicht unbedingt, was die Kirche anging, da störte es mich oft, dass ich so brav sein, fremde Musik hören und singen und moralische Predigten über mich ergehen lassen musste.

Gott kennenzulernen fand ich aufregend. Von anderen jungen Leuten zu hören, was sie mit Gott erlebten, wie er zu ihnen sprach, wie er in ihr Leben eingriff und wie er Wunder tat,  das fand ich aufregend. Ich wollte das auch erleben.

Aber als man mir den Schlüssel dazu gab („Wenn du Gott kennenlernen willst, dann musst du die Bibel lesen!“), da fand ich schnell Ausreden: „Das ist zu viel. Das schaffe ich nicht! Außerdem, gibt es da Themen, die sind mir zu hoch. Ich brauche Hilfe!“

Meine Ausrede hatte ich lange – aber sie hatte zur Folge, dass ich Gott eben nicht allzu gut kennengelernt und ihn fast noch weniger erlebt habe. 

Fang schon einmal an

Heute reagiere ich bei meinen Kindern anders. Ich sage ihnen: „Fang schon einmal an, die Sachen zu tun, die du alleine machen kannst. Danach erst helfe ich dir!“ Ja, es gibt bis heute Dinge, die ich nicht verstehe, wenn ich die Bibel lese. Aber es ist gut, wenn ich schon einmal anfange mit dem, was ich verstehe.

Frère Roger, der Gründer und erster Prior der ökumenischen „Communauté de Taizé“ hat einmal gesagt: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.“ Die Bibel mag ein Buch sein, das an manchen Stellen schwer, aber an anderen leicht zu verstehen ist. Du sollst nicht lügen, du sollst nicht stehen, du sollst nicht hassen, sondern lieben – alles Dinge, die man nicht falsch verstehen kann.

Wenn ich ein erfülltes Leben haben möchte, dann sollte ich mich anleiten lassen, es zu finden und zu leben. Oder, wie David es in einem seiner Lieder ausdrücklich: „Lehre mich, deinen Willen zu tun, denn du bist mein Gott. Dein guter Geist führe mich auf einem sicheren Weg“ (Psalm 143, 10 HfA).

Fang schon mal an. Und wenn du Hilfe brauchst, wird Gott dir helfen.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de