Mauerspechte

Immer noch fassungslos sehe ich mir die Bilder im Fernsehen an. Menschenmassen am Brandenburger Tor und in den Straßen von Berlin. Mit Hammer und was man sonst noch so auftreiben konnte, werden Löcher in die Mauer gehackt, was ihnen den Namen Mauerspechte einbringt. Was war denn passiert? Die Mauer war vor 2 Tagen gefallen. Jenes Bauwerk, das meine Verwandschaft von uns in Westdeutschland trennte – oder das dazu führte, dass Berliner Insulaner waren.

Erinnerungen

In mir wurden Erinnerungen geweckt. Fahrten mit dem Auto nach Berlin waren für mich der pure Streß. Denn man durfte nur die Transitstrecke benutzen. Diese Grenzkontrollen machten mir Angst und lösten ein beklemmendes Gefühl in mir aus. Noch schlimmer war es, wenn wir in die DDR einreisten. Die Kontrollen waren heftiger, was bei mir nicht zu einer entspannten Reiseatmosphäre beitrug. Und das sollte nun alles vorbei sein? Die Führung der DDR hatte kapituliert. Ich konnte es nicht fassen. In Berlin wurde gerade Geschichte geschrieben und ich lebte in München. Jetzt dabei sein! Und Gott tat dieses Wunder.

Mein Großvater lebte zu dieser Zeit in Berlin und war sterbenskrank. Ich hatte mir ein Flugticket für den 11.11.1989 zwei Monate im voraus gekauft, um meinen Opa zu besuchen. Damit besaß ich etwas, was viele andere gerne gehabt hätten. Auf dem Flughafen in München war Hochbetrieb. Alles wollte nach Berlin. Nichts ging mehr und ich hatte ein Ticket!

Aufgeregt flog ich nach Berlin. Die Straßen waren dicht. Ein Trabi reihte sich an den Anderen. Mit dem Taxi machte ich eine kleine Stadtrundfahrt. Es war der reinste Wahnsinn. Am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße stand ein großer LKW, der unzählige Einkaufstüten mit Bananen, Kaffee und Schokolade auf der Ladefläche hatte. Es waren Geschenke der Firma Kaiser’s Kaffeegeschäft, die jetzt von vielen Helfern an die DDR-Bürger verteilt wurden.

In Tempelhof bin ich vom Taxi in die U-Bahn umgestiegen, denn auf der Straße war kein durchkommen mehr. Auch die U-Bahn war rappel voll und die Luft zum Atmen knapp. Am Wittenbergplatz bin ich ausgestiegen. Ich wollte, wie alle Anderen den Ku’Damm erleben. Zunächst umgab mich die typische Duftwolke der vielen Trabiabgase und dann die Menschen. Wie staunten sie und nahmen alle Eindrücke beinahe ehrfurchtsvoll in sich auf.

Man erkannte die DDR-Bürger sofort an ihren Einkaufsbeuteln. Heute renne ich, der Umwelt zu liebe, selber mit Stoffbeutel durch die Gegend. Da hatten die DDR-ler uns aber etwas voraus! Es gab 100,00 DM Begrüßungsgeld, die aber nicht von allen gleich „auf den Kopf geklopft“ wurden. „Nur mal gucken“ reichte vielen schon. Einen guten Umsatz machten z. B. Discounter. Es wurde gleich kistenweise gekauft und ich machte mir schon Sorgen, ob die Berliner Bevölkerung noch ausreichend versorgt sei.

Besuch beim Großvater

Für mich war es nun Zeit zu meinem Großvater ins Krankenhaus zu fahren. Der eigentliche Grund meines Berlin-Besuches. Da lag er nun, ein echter Berliner und bekam von diesem historischen Ereignis vor seiner Tür gar nichts mehr mit. Es war ein Abschied für die Ewigkeit. Nun brauchte ich dringend  ein Taxi, das mich wieder nach Tegel bringen sollte. Doch daran war gar nicht zu denken. Alle unterwegs! Langsam stieg Panik in mir auf. Mein Ticket war ja nicht umbuchbar, außerdem gab es sowieso keine Flüge mehr. Kennen Sie die Notfalltelefonnummer Gottes? Es ist Psalm 50, Vers 15: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.“

 

Pünktlich nach Tegel?

Lieber Gott, wie komme ich pünktlich nach Tegel an so einem Tag? Da fielen mir Freunde aus unserer Berliner Zeit ein, die ganz in der Nähe des Krankenhauses wohnten. Unser Freund war auch tatsächlich Zuhause. Ich fragte ihn, ob er mich zum Flughafen fahren könnte und ich schilderte meine prekäre Situation „Hast du ein Glück, hast du ein Glück,“ bekam ich zur Antwort. „Ich wollte Heute unser Auto verkaufen und habe es vor zwei Tagen in der Zeitung annonciert. Die Ereignisse haben uns einfach überrollt. Wer kauft Heute schon ein gebrauchtes Auto? Bleib beim Pförtner stehen. Ich bin gleich da.“ So wurde ich mit dem Auto ganz bequem und pünktlich zum Flughafen gefahren. Glauben Sie an Zufälle? Ich nicht!

Gebet

Bevor ich meine Reise antrat, bat ich Gott mich auf meinen Wegen zu beschützen. Deshalb kann ich dankbar sagen, dass ich so eine tolle Reise hatte, ist die Antwort Gottes auf mein Gebet. Und der Mauerfall? Ich habe keine Ahnung, wie viele Christen dafür gebetet haben. Denken Sie mal an die vielen Demos in Leibzig und anderswo. Vom Gebet im stillen Kämmerlein will ich gar nicht reden. Gott hat gehört und ER hat erhört! Wir können alle dankbar sein, dass wir eine friedliche Revolution erleben durften. Auch Heute nach 28 Jahren bin ich meinem Gott noch dankbar, dass wir jetzt ein Volk sind. Die Transitstrecke ist nur noch Autobahn und ganz entspannt fahren wir nun in die ehemalige DDR.

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Die Bibel – 2. Samuel 22, 30

 

BeLa für GottinBerlin