Der Weggang

Siddharta war 28 Jahre alt, hatte Frau und Kind, als er dem Leben nichts mehr abgewinnen konnte. Er verließ beide und zog durch das heutige Nepal und besuchte die Weisheitsschulen seiner Zeit. Befriedigende Antworten erhielt er nicht. Traurig und enttäuscht zog er sich in die Einsamkeit zurück.

Die „Erleuchtung“

Unter einem Baum sitzend hatte er, in einem Zustand, den man heute als schwer depressiv diagnostizieren würde, eine tiefe Verwandlung. Nennen wir es mystisch oder numinos. Jedenfalls wurde in dieser Phase seines Seins aus Siddharta der Buddha. Buddha meint der Erleuchtete oder mit Erkenntnis durchtränkte. Von hier aus zog er durchs Land, gewann viele Anhänger. Im Lauf der Geschichte bildeten sich von ihm herkommend viele, auch sehr unterschiedliche Lehren, die unter dem Begriff Buddhismus zusammengefasst werden.

Der Grundgedanke Siddharta’s

Das Leben auf dieser Welt ist Leiden. Die Wirklichkeit um uns herum ist Illusion. Die Sehnsucht des Buddhisten ist die Erlösung aus dieser Welt, das Eingehen in das Nirvana. Nirvana meint nicht, wie im Abendland oft angenommen, das Nichts. Es ist zwar ein Begriff, den man im Sinn der Negation verstehen kann, doch diese Form der Negativität findet man auch im Bereich der christlichen Mystik zur Beschreibung Gottes, dessen Sein damit in keiner Weise aufgehoben werden soll. Um dieses Nirvana zu erreichen, in dem das Personsein aufgelöst wird, um in die Allseele einzugehen (was vielleicht eine passendere Bezeichnung für das Nirvana ist) muss der Mensch mehrfach diese Welt durchleben. Reinkarnation ist der Begriff dafür. Wieviele reinkarnierte Leben der Mensch hier vollziehen muss, hängt von seiner Reifung ab. Unsere auf materiellen Besitz und irdische Macht ausgerichtete westliche Gesellschaft ist dem Buddhisten zuwider und kennzeichnet ihm menschliche Unreife. Der Buddhist ist bemüht, sich in Bedürfnislosigkeit zu üben, sich von dieser Welt frei zu machen.

Die Unsicherheit

Obwohl wir viel vom Buddhismus in dieser Hinsicht lernen können im Sinn des Nichtbegehrens und der Bescheidenheit sowie in der Einübung der Ausgeglichenheit von Körper und Seele, bleibt doch ein Angstfaktor. Der Buddhist kennt keine Heilsgewissheit, wie sie dem Christen möglich ist, dem der Geist Gottes bezeugt, dass er ein Kind Gottes ist und mit Ihm die Ewigkeit verbringen darf. Dieser Gedanke ist ihm allerdings auch fremd, da, obwohl es in manchen buddhistischen Lehren auch Gottheiten gibt, allgemein ein liebender personaler Gott bei ihm nicht vorkommt. Insofern weiß der Buddhist auf dem Sterbebett auch nicht, ob er nochmal antreten muss oder ins Nirvana eingehen darf. Wie gesagt, anders als in anderen Glaubensrichtungen sehnt sich der Buddhist nach der Auflösung seines Personseins. Eine Denkweise, die den abendländisch geprägten Menschen befremden kann. Denn dieser sehnt sich ja nach der Vervollkommnung seines Personseins, nach dem Gleichgestaltetwerden mit Christus.

 

In jedem Fall ist der Buddhismus von daher eine friedliche Lebensanschaung, auch wenn in deren Geschichte ebenfalls kriegerische Auseinandersetzungen, ähnlich wie es, von Jesus her in unzulässiger Weise, in der Kirchengeschichte immer wieder vorgekommen ist. Wie im Umgang mit allen Menschen liegt das Geheimnis in dem Wort Respekt, dem Versuch, den anderen zu verstehen und in seinem Anderssein stehenlassen können.

Thomas Nachtigall, Berlin-Lankwitz, für GottinBerlin