Die Sache mit der Vergebung
Ich finde, es gibt kaum etwas, das so schwer ist im Glauben, wie die Sache mit der Vergebung. Ich meine damit nicht, Vergebung zu empfangen – obwohl das auch schon ganz schön schwer ist, denn es setzt voraus, dass ich ehrlich zu mir selbst bin, ein Einsehen habe, dass ich nicht so toll bin, wie ich es mir immer einrede und dann den Mut habe (und die Muße und die Zeit und die nötigen Gedanken daran), Vergebung wirklich in Anspruch zu nehmen. Aber, es ist, wie beim Kuchenbacken: Nur, weil ich weiß, dass ich prinzipiell die Zutaten zu Hause im Schrank habe, bedeutet das nicht, dass ich auch einen Kuchen gebacken habe.
Nur, weil ich weiß, wo und wie ich Vergebung empfangen kann, bedeutet das nicht, dass ich Vergebung auch erlebe. Ich muss die Zutaten zusammen sammeln, verrühren, in eine Form gießen und in den Ofen schieben. Nur dann erlebe ich den leckeren Duft, der durch die Wohnung zieht, nur dann kann ich die Form aus dem Ofen herausholen, wenn die Backzeit um ist und nur dann kann ich den selbst gebackenen Kuchen genießen.
Meine Schuld bekennen
Mit der Vergebung ist es ebenso. Ich muss im Gebet zu Jesus gehen und meine Schuld bekennen, die abgeben, sie am Kreuz gegen Vergebung tauschen. Nur dann werde ich sie erleben. Und das ist aus den verschiedensten Gründen ebenso einfach, wie Kuchenbacken aber ebenso kompliziert (was tue ich eigentlich öfters in meinem Leben? Vergebung empfangen oder Kuchen backen?).
Was ich meine, ist, anderen zu vergeben. Das finde ich noch viel schwieriger, als Gott um Vergebung zu bitten. Da sind die Nachbarn, die so agieren, dass es mich richtig ärgert, die Arbeitskollegen, die mir meinen Tag vermiesen, der Chef, der seine schlechte Laune an mir auslässt, der Busfahrer, der mir die Tür vor der Nase zuschlägt und einfach losfährt. Diese Beispiele mögen klischeehaft sein, zeigen aber, wie viele Ecken und Enden es in meinem Leben gibt, wo ich mich ärgern kann.
Und dann soll ich denen vergeben, obwohl die anderen mich gar nicht um Entschuldigung bitten? Ich bin doch nicht Jesus! Die sollen erst einmal einsehen, dass sie mir das Leben schwer machen und sich ändern. Dann können wir darüber reden!
Jesus findet hierzu ziemlich eindeutige Worte. Er sagt: „Euer Vater im Himmel wird euch vergeben, wenn ihr den Menschen vergebt, die euch Unrecht getan haben“ (Matthäus 6, 14 HfA). Das bereitet mir jetzt ein ziemliches Unbehagen. Heißt es an dieser Stelle wirklich, Gott würde mir vergeben, WENN ich anderen vergebe? Ja, heißt es. Das wird klar, wenn ich mir den nächsten Satz anschaue: „Wenn ihr ihnen aber nicht vergebt, dann wird Gott auch eure Schuld nicht vergeben“ (Matthäus 6, 15 HfA).
Wenn ich nicht bereit bin, anderen zu vergeben, ist Gott auch nicht bereit, mir zu vergeben. Das ist hart. Aber warum ist das so? Die Antwort lautet, wie so oft: aus Liebe. Ganz allgemein kann ich sagen: Gott liebt uns Menschen und möchte deswegen, dass wir uns gegenseitig vergeben und so friedlich und frei miteinander leben.
…wie auch wir vergeben unsern Schuldigern …
Es gibt aber noch einen ganz konkreten Aspekt: Gott liebt uns nicht nur pauschal, er liebt dich und mich ganz persönlich. Und er weiß, was passiert, wenn wir nicht vergeben. Wir schädigen nicht den, der uns das Leben schwer macht, wir schädigen uns selbst. Wenn ich verletzt bin im Herzen und sauer, dann spielt es keine Rolle, ob ich im Recht bin oder nicht, dann ist mein Herz nicht frei. Es ist eben mit den Gefühlen der Verletztheit und des Ärgers belegt.
Das bindet mich an die andere Person, ich klebe förmlich innerlich an dem, dem ich nicht vergeben möchte. Es bindet auch meine Gedanken an den anderen, denn wenn ich sauer bin (oder verletzt), dann denke ich immer und immer wieder an den anderen und was er mir angetan hat. Und meine Gefühle beeinflussen mein Sein. Ich kann nicht frei, liebevoll und fröhlich durch die Welt gehen, wenn ich ein Herz voller Groll habe.
Deswegen ist es so wichtig zu vergeben. Nur so schaffe ich es, das Verhältnis zum anderen zu verbessern, nur so schaffe ich es, allen Ärger und Frust aus meinem Herzen abfließen zu lassen und innerlich frei zu werden. Das Vaterunser erinnert uns immer und immer wieder genau daran: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern …“
Wenn ich innere Freiheit und inneren Frieden erleben möchte, wenn ich ein Herz haben möchte, das wirkliche lieben kann, dann führt kein Weg daran vorbei, zu lernen, anderen zu vergeben. Und das ist ganz schön schwer – aber es lohnt sich!
Probiere es aus. Nimm dir Zeit, um mit Jesus zu sprechen. Sprich Vergebung aus und bitte Jesus, dass er es dir schenkt, dass dein Herz auch hinterherkommt. Du wirst erleben, wie dein Herz freier wird (es kann sein, dass das langsam geschieht) und sich deine Verhärtungen lösen.
Sei gesegnet!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de