Vorstellung

Ich war in irgendeine Gemeinde zum Predigen eingeladen. Noch bevor die Predigt losging, bat mich der Pastor unerwartet, nach vorne zu kommen, weil er mich der Gemeinde vorstellen wollte. Er sagte sinngemäß, er hätte versucht, sich über mich zu informieren und hätte so viel Unterschiedliches gefunden, dass es ihm nicht möglich sei, der Gemeinde zu sagen, wer ich sei und was ich so alles machen würde. Es ist wahr, dass mein Lebenslauf ziemlich bunt ist, und ich weiß nicht so recht, ob das gut oder weniger gut ist.

Auf einem Auge blind

Ich war oft genug in meinem Leben auf einem Auge blind. Ich habe oft nicht realisiert, ob ich mich gerade auf einem 100m-Sprint oder auf einem Marathon-Lauf befinde. Wenn ich das durcheinander bringe, dann hat das Folgen für den Lauf: Wenn ich einen Sprint so angehe, wie einen Marathon, dann werde nicht nicht unbedingt unter die ersten Drei kommen. Und, wenn ich bei einem Marathon sofort alles gebe, wie bei einem Sprint, dann werde ich nicht lange durchhalten.

Wohin schaue ich?

Wenn ich auf einem Auge in meinem Leben blind bin, dann bedeutet das, dass ich entweder nur auf ferne Ziele schaue oder nur auf meinen nächsten Schritt. Aber beides ist wichtig. Mit meinen Kindern unterwegs zu sein, verdeutlicht mir das sehr bildlich: Wenn wir wandern gehen (eigentlich sind es ja eher Spaziergänge von der Strecke her, aber Wanderungen von der Zeitspanne her), dann haben wir die beiden Extreme oft direkt nebeneinander.

Kleinigkeiten

Ich als Papa schaue dann (meist) nur auf das Ziel. Wo wollen wir hin? Und wie kommen wir dort hin? Unsere Kinder sind das genaue Gegenteil. Wir haben zwei Schritte getan und sie entdecken etwas, das total spannend ist. Mir entgehen mit meinem Blick auf das ferne Ziel oft die Kleinigkeiten am Wegesrand und damit viel Freude und viel Spannung an Wanderungen. Dafür verlieren die Kinder, weil sie nur direkt vor ihre Füße schauen, ziemlich schnell das Ziel aus den Augen.

Geschenk im Hier und Jetzt

Beides ist wichtig – der Blick nach vorne aufs Ziel gerichtet und der Blick auf die Frage: Was ist mein nächster Schritt? In die Ferne schauen und direkt vor meine Füße. Und das nicht nur bei einer Wanderung. Wenn ich nur darauf schaue, was vielleicht irgendwann in der Zukunft das Ziel ist (das Examen, das eigene Haus, die Rente, der Himmel…), dann verpasse ich viel, was Gott mir im Hier und Jetzt schenken möchte.

Das Ziel verlieren

Wenn ich nur auf den Moment schaue, auf den nächsten Schritt, auf die nächste Tür, auf die nächste Gelegenheit, dann verliere ich schnell das Ziel aus den Augen und bin dann – wie die Kinder oft – müde und ausgepowert, obwohl ich noch eine ganz schön lange Strecke Weg vor mir habe.

Balance finden

Die Balance zu finden fällt mir selber sehr schwer. Ich habe mir manche Chance im Leben genommen, weil ich nur aufs Ziel geschaut habe. Ich bin aber auch manches Mal stecken geblieben, weil sich vor mir eine Tür nach der anderen geöffnet hat. Und das hat meinen Lebenslauf eben ziemlich bunt gemacht.

Aber ich habe gelernt, wie wichtig das Gleichgewicht ist. Unzählige Beerdigungen haben mir vor Augen geführt, dass ich eines Tages hoffnungsvoll sterben möchte, weil ich weiß, es gibt ein Ziel, das Jesus heißt.

Der Moment

Die unzähligen Beerdigungen haben mir aber auch vor Augen geführt, wie wichtig der Moment ist, den mir keiner mehr zurückgeben kann. Ich weiß nicht, ob sich solch einen Augenblick noch einmal wiederholen wird. Genieße ich ihn nicht, ist er vielleicht nie wieder erreichbar.

Fern und Nahe

Richte deinen Blick auf beides: Wo möchtest du hin? Was ist dein Ziel (oder deine Ziele)? Und was ist dein Next Step? Schaue auf das Ferne und das Nahe. Das gilt für dein Leben, dein Beruf, deine Familie, deine Freunde und Hobbys – das gilt aber auch im besonderen Maß für deinen Glauben.

Ich wünsche uns eine gute Balance – wenn wir anfangen, darüber nachzudenken, haben wir ja bereits den ersten Schritt getan. Gutes Gelingen!

Sei gesegnet!

https://juergens-gedanken.blogspot.com/

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de