Mann lehnt mit gefalteten Händen an der Wand

Höhen und Tiefen

„Sie haben immer gut Reden!“ Die Frau mittleren Alters wirkte sehr aufgebracht, als sie nach einer Predigt auf mich zugestürmt kam. „Bei Ihnen klingt das mit dem Glauben immer so einfach! Aber so einfach ist es nicht. Es gibt auch Menschen, bei denen nicht alles glattläuft im Leben! Sie strahlen immer und tun so, als wäre das Leben mit Gott ein Kinderspiel. Warten Sie ab, bis Sie selbst mal durch ein Tal der Tränen müssen, dann denken Sie anders über Ihren Jesus!“

Und dann erzählte Sie mir fast schon vorwurfsvoll von ihrem Scheitern, von ihren unerfüllten Hoffnungen und Wünschen und davon, was Gott doch bitte in ihrem Leben zu tun hätte, damit es ihr wieder gut ginge. 
 

Das Leben ist nicht immer leicht –

ganz gleich, ob jemand Christ ist oder nicht. Höhen und Tiefen gehören in unser Leben dazu, auch, wenn wir auf die Tiefen gerne verzichten könnten. Und wenn jemand den Eindruck gewinnt, bei mir als Christ und Pastor liefe alles immer rund, dann irrt er gewaltig. 

 
Ich weiß, wie es ist, durch Zeiten zu gehen, in denen man sich wünscht, man würde am nächsten Tag nicht mehr aufwachen. Ich habe Mangel und Not erlebt, bittere Armut – ausgelöst aus der Alkoholsucht meiner Mutter. Ich habe körperliche und seelische Gewalt erfahren – und auch, als ich mit Anfang 20 dann Christ wurde, war nicht von einer Sekunde zur anderen alles gut. 
 
Auch Christen müssen harte Zeiten überstehen oder besser: durchstehen. Solange alles gut läuft, wir das Gefühl haben, Gott würde auf jedes Gebet antworten, ist es leicht, die Hände zu heben und Gott zu loben. Stimmen Atmosphäre und Qualität der Musik haben wir dann schnell das Gefühl, Gottes Geist würde uns in diesen Zeiten berühren. 
 

Gott loben und anbeten?

Aber wenn wir am Boden zerstört sind, das Gefühl haben, es würde kein Morgen mehr geben, dann ist es unendlich viel schwerer, an Gott festzuhalten. Gebete sind dann oft nur noch bittere Klagen und ein Flehen um Besserung. Für das Bibellesen fehlt die Kraft, und überhaupt steht uns der Sinn in Tälern der Not nach allem Möglichen, aber nicht danach, Gott zu loben oder ihn anzubeten. 

Jakobus, viele nehmen an, er sei ein Bruder Jesu gewesen, schreibt: „Nehmt euch die Propheten, die im Namen des Herrn gesprochen haben, als Vorbild für Geduld im Leiden. Denn wir schätzen jene glücklich, die im Leiden durchgehalten haben. Ihr kennt die Geduld Hiobs und wisst, wie der Herr alles zu einem guten Ende führte, denn er ist voll Mitgefühl und Barmherzigkeit“ (Jakobus 5, 10-11 NLB).
 
Hiob war ein gottesfürchtiger Mann, der den Verlust seiner Kinder, seines Jobs und schließlich seiner Arbeit verkraften musste (so viel zum Thema, bei gläubigen Menschen würde alles immer glattlaufen). Dennoch hielt er in all seiner Prüfung an Gott fest. 
 
Inmitten seines Leids schrie er: „Ach, wollte sich meine Bitte erfüllen, würde Gott meine Hoffnung wahr machen!“ (Hiob 6, 8 NLB). Jeder Tag war für Hiob unvorstellbar furchtbar und schmerzhaft war, aber seine Hoffnung und ja, er sagt, sogar seine Freude, dass er immer treu war: „Was der heilige Gott geboten hat, daran habe ich mich immer gehalten!„, spricht er. (Hiob 6, 10 HfA).
 

Unfairer Gott

Die Welt um uns herum nennt Gott oft unfair, ungerecht oder gar unfähig in Anbetracht des vielen Leides und Schmerzes. Er ist es nicht. Er ist auch weder gleichgültig noch böse. Und auch, wenn es Zeiten gibt, in denen wir seine Wege nicht verstehen, lohnt es sich, an seinem Wort festzuhalten. Gott führt alles zum Guten – oft schon hier auf Erden, aber spätestens, wenn wir die Ewigkeit bei ihm und mit ihm verbringen. 

Geduld im Leid – eine der schwersten Dinge im Glauben. Aber: Der Sieg über das Böse ist vollbracht, und es wird unser Sieg sein, wenn wir daran festhalten. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir vieles von diesem Sieg schon hier auf Erden erleben werden. 
 
Also lasst uns Männer wie Hiob zum Vorbild nehmen, wenn es schwer ist und – ebenso wie Hiob – erleben, dass Gott gut ist, voller Mitgefühl und Barmherzigkeit. 
 
Sei gesegnet!
 

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de