Ich seh dich nicht …

Ich weiß nicht, woher es kommt, aber fast alle kleinen Kinder spielen irgendwann: „Ich seh‘ dich nicht, du siehst mich auch nicht!“ (Und mit großer Sicherheit haben wir das damals auch gespielt, als wir klein waren). Sie halten sich die Augen zu und sind davon überzeugt, man würde sie nun nicht mehr sehen. Genauso niedlich, wie die Kinder dabei aussehen, wenn sie so mit den Händen vor den Augen herumstehen, ist die Reaktion der Eltern: „Wo bist du denn? Ich kann dich gar nicht mehr sehen!“ Oft nehmen die Kinder dann irgendwann die Hände weg und rufen fröhlich: „Da bin ich!“

Erklärung

Dieser Entwicklungsschritt gehört zum Großwerden dazu. Irgendwann kommen die Kinder selber dahinter, dass da irgendetwas nicht stimmt. Ich zumindest kenne keinen Vater und keine Mutter, die ihren Kindern erklären musste: „Du, nur, weil du dir die Augen zuhältst, bedeutet das nicht, dass ich dich auch nicht sehen kann…“

Auch habe ich noch nie gehört, dass Kinder zu den Eltern gegangen sind und sich beschwert hätten: „Ihr habt mich doch die ganze Zeit gesehen. Warum habt ihr dann so getan, als wäre ich weggewesen?“

Wir spielen dieses kleine Spiel mit, weil es niedlich ist – und vor allem, weil wir unsere Kinder lieben. Wir stellen sie nicht bloß oder sagen: „Du müsstest jetzt groß genug sein, um zu wissen, dass ich dich sehen kann! Hör auf damit!“

Verhalten

Komisch ist, dass wir uns Gott gegenüber oft genau so verhalten, dass wir mit ihm auch „Ich seh‘ dich nicht, du siehst mich auch nicht!“ spielen. Wir schauen bewusst weg und denken uns: Wenn wir Gott den Rücken zukehren, dann sieht er uns auch nicht. Wenn wir den Kontakt unterbrechen, nicht beten, nicht in seinem Wort lesen, ihn einfach ignorieren, dann ist er auch nicht mehr da.

Gottes Liebe ist da!

Gut, dass Gott „dieses Spiel“ auch mitspielt und uns auch nicht bloßstellt. Denn eigentlich müssten auch wir wissen: Gottes Liebe ist immer da. Da kann ich mir die Augen zu halten, da kann ich mich verstecken, weil ich ein schlechtes Gewissen habe, da kann ich mich wegdrehen, weil ich ach so beschäftigt bin – so, wie ein Vater oder eine Mutter ihr kleines Kind, das sich die Augen zuhält, nicht einfach stehenlässt und weggehen würde – aus Liebe – so würde Gott uns nicht einfach stehen lassen und weggehen. Gottes Liebe ist da!

Wohin könnte ich fliehen?

Und wenn ich meine Hände von den Augen wegnehme und fröhlich rufe: „Da bin ich!“, dann freut sich Gott, wie sich die Eltern bei einem kleinen Kind freuen. David fragt zu Recht in einem seiner Lieder (Psalm 139,7): „Wohin könnte ich fliehen, ohne dass du mich siehst?“ Nirgendwohin. Ich kann Gott ignorieren, mich bewusst abwenden, seine Liebe ablehnen, ich kann ihn aber nicht daran hindern, mich zu sehen, mir nachzugehen, um mein Herz zu werben und vor allem nicht, mich zu lieben – leidenschaftlich und bedingungslos.

Ich wünsche dir, dass du besonders heute Gottes Freude erlebst, wenn du deine Hände von den Augen nimmst und sagt: „Gott, da bin ich!“ Ich wünsche dir, dass du spürst, dass Gottes Liebe da ist. Ich wünsche dir, dass du erlebst, dass Gott sich um dich kümmert, wie eine liebende Mutter oder ein liebender Vater sich um ihre Kinder kümmern.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken sowie ein Lobpreislied zum Tag zum selbst Lesen oder weiterleiten: https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de