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Aus dem Nichts hochschaukeln

Kennst du Situationen, die sich wie aus dem Nichts „hochschaukeln“? Gestern habe ich die beiden Fahrradfahrer erwähnt, die sich an der Supermarktkasse über Autofahrer aufgeregt haben. Die Stimmung in ihren Herzen ist so angespannt, es braucht nicht viel im Straßenverkehr, und sie gehen auf andere los – eine fast alltägliche Situation.
Eine solch explosive Stimmung herrschte auch, als man eine Ehebrecherin, die auf frischer Tat ertappt wurde, in den Tempel zerrte, in dem Jesus gerade lehrte. Die Gesetzeslehrer wollten Jesus provozieren. Es ging ihnen nicht um das alte Gesetz des Mose, das befahl, die Frau hätte sterben müssen – ansonsten hätten sie auch den Mann mit dazu holen müssen. Es ging ihnen auch nicht um die Frau.

Jesus lässt sich nicht reizen

Es ging ihnen darum, Jesus eine Falle zu stellen. Wenn Jesus gesagt hätte, er solle sie steinigen, hätten sie ihn der Heuchelei bezichtigt, weil er immer über Barmherzigkeit lehrte. Hätte er gesagt, sie nicht zu steinigen, hätten sie ihn beschuldigt, das mosaische Gesetz zu brechen.

Aber Jesus lässt sich nicht reizen. Er durchschaut den Trick. Was tut er? „Aber Jesus beugte sich nur nach vorn und schrieb mit dem Finger auf die Erde“ (Johannes 8, 6 BB).

Achte einmal darauf, wie er seine Körperhaltung verändert. Gerade noch stand oder saß er und lehrte, und im nächsten Moment beugt er sich auf den Boden, so als wolle er den ersten Stein aufheben und werfen.

Aber weit gefehlt. Er schreibt etwas in den Sand. Seit Jahrhunderten rätseln die Theologen, was er da in den Sand geschrieben hat. Nun, ich denke mir: Wenn Gott wollte, dass wir das wissen, er hätte dafür gesorgt, dass es in der Bibel steht.

Jesus tritt aus der Situation heraus

Was Jesus tut, ist, dass er aus der Situation heraustritt. Er geht quasi einen Schritt zurück, was er auch durch seine neue Körperhaltung ausdrückt. Und er sagt erst einmal überhaupt nichts! Aber die anderen Männer sind voller Eifer. In Vers 7 heißt es, dass sie nicht aufhörten, Jesus zu fragen.

Ich kann mir die Szene gut vorstellen, denn ich bin auch ein impulsiver Mensch. Immer wieder hämmern die Worte auf Jesus ein: „Nun sag schon, nun sag schon!“ Aber sie bekommen keine Antwort. Und genau das entspannt alles.

Eskalieren

Vor einiger Zeit war ich mit dem Fahrrad unterwegs, als mich ein Kastenwagen überholte und sich direkt vor mich auf die Fahrradspur stellte und dort parkte. Ich rief dem Fahrer zu: „Ey Mann, das ist eine Fahrradspur“, worauf der aus dem Auto sprang und mich anbrüllte, ob ich denn ein Problem hätte und Schläge haben wollte.

Das war so eine Situation, die prädestiniert zum Eskalieren war. Ausnahmsweise blieb ich ruhig. Ich sagte ihm: „Du kannst mich schlagen, aber vorher mache ich ein Foto, dann bekommst du eine Anzeige fürs Parken und verlierst deinen Führerschein wegen der Schläge. Das wollen wir beide nicht, oder?“ Und ich lächelte den Mann (wirklich freundlich an).

Plötzlich änderte sich die ganze Szenerie, der Mann wurde freundlich und entschuldigte sich bei mir. Er erzählte mir, wie stressig sein Job als Lieferant war und wie hart es sei, dass es immer weniger Punkte gäbe, wo er kurz halten und seine Waren ausliefern könnte.

Lass dich nicht so schnell reizen

Ende vom Lied: Wir verabschiedeten uns mit Handschlag und wünschten uns noch einen schönen Tag. Es hat gar nicht viel damit zu tun, ob ich fromm bin oder nicht, um von Jesus hier zu lernen. Es tut uns gut, wenn wir uns im Leben nicht immer so schnell reizen lassen, sondern einen Schritt zurückgehen und aus der Situation heraustreten.

Erst einmal Luft zu holen, tut uns gut, selbst, wenn unser Gegenüber keine Ruhe gibt. Und vielleicht ist es an der Zeit, dass wir dafür beten, dass Gott uns innerlich ruhiger und friedfertiger macht, damit wir in solch aufgeladenen Situationen besser reagieren können.

Seine Liebe verändert uns, weil sie uns ihm ähnlicher macht. Also: Beim nächsten Mal, wenn dich jemand zur Weißglut treibt, hocke dich erst einmal hin und schreibe etwas auf den Boden – oder so ähnlich.

Sei gesegnet!

„Nichts verleiht mehr Überlegenheit, als ruhig und unbekümmert zu bleiben“ (Thomas Jefferson).

Jürgen Ferrary für GottinBerlin

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