Ein Stein in der Hand

Selbsterhaltungstrieb

Wie reagierst du, wenn du angegriffen wirst? Wie reagierst du, wenn man versucht, dich in die Ecke zu drängen? Ich lasse mich dann oft von meinen Emotionen lenken, von dem, was ich gerne „Selbsterhaltungstrieb“ nenne. Angriff ist die beste Verteidigung, denke ich mir dann manchmal. Als man die Ehebrecherin in den Tempel zerrte, in dem Jesus gerade lehrte, versucht man, ihm eine Falle zu stellen. Eigentlich hat er wenig Chancen, aus der Nummer wieder herauszukommen, als man ihm unter die Nase reibt, dass das Gesetz eigentlich vorschreibt, diese Frau zu steinigen.

Unverschämtheit

Und Jesus hätte allen Grund dazu gehabt, sauer oder aggressiv zu reagieren. Was sollte das, dass man ihn mitten in der Predigt stört? Und was sollte das, dass man ihn, den Sohn Gottes so versucht, in die Enge zu treiben. Das war ja wohl eine Unverschämtheit.

Aber wenn Jesus agiert oder reagiert hat, dann geschah das immer aus der Motivation der Liebe heraus. „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hingab. Jeder, der an ihn glaubt, soll nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“, sagt Johannes 3, 16 (BB).

Dem Buchstaben nach hatten diese Männer recht. Was die Frau getan hatte (und übrigens auch der Kerl, der an dem Ehebruch beteiligt war), war Unrecht, daran gab es keinen Zweifel. Aber diese Frau zu steinigen, würde der Motivation der Liebe vollkommen widersprechen.

Seine Motivation ist immer Liebe

Als die Männer keine Ruhe geben, obwohl Jesus nicht antwortet, sich nieder bückt und etwas in den Sand schreibt, antwortet er mit Worten, die bis heute von Christen wie Nichtchristen als geflügeltes Wort genutzt wird: „Wer von euch ohne Schuld ist, soll den ersten Stein auf sie werfen!“

Schau einmal genau hin. Jesus spricht die Frau nicht frei. Er sagt nicht: „Hey, ein bisschen Ehebruch, das ist doch kein Problem. Lasst die Frau mal!“ Was er sagt, ist, dass die Frau gesteinigt werden darf, aber nur von dem, der ohne Schuld ist – also nur von ihm selbst!

Jesus sagt nicht, das Brechen der Gesetze wäre Peanuts, was er aber sagt: Verurteilen darf nur der, der selbst schuldlos ist. Jetzt hat nicht mehr er, Jesus, das Dilemma, jetzt haben es die Männer, die die Frau steinigen wollten. Und dann heißt es:Dann beugte er sich wieder nach vorn und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, ging einer nach dem anderen fort, die Älteren zuerst“ (Johannes 8, 8-9 BB).

Nur ein Satz

Ich stelle mir das gerade bildlich vor. Da stehen diese Männer, mit hochrotem Kopf und mit Adrenalin vollgepumpt vor Jesus und nur ein Satz von ihm verschlägt ihnen den Atem. Und Jesus? Der beugt sich nieder und schreibt wieder etwas in den Sand, als beträfe ihn das alles nicht.

Ich denke mir, manch einer der Ankläger hat mit sich gerungen, ob er nicht doch seinen Stein werfen sollte, andere waren völlig enttäuscht und sackten in sich zusammen. Aber dann ließ einer nach dem anderen seine schon erhobene Hand sinken.

Wie schnell sind wir im Urteilen und Verurteilen? Wie schnell hören wir etwas und haben unsere Meinung. Es ist ja schon erstaunlich, dass die Frau überhaupt beim Ehebruch erwischt worden war, aber mit Sicherheit nicht von der ganzen Horde Männer.

Seine Motivation ist immer Liebe

Also hatten sie nur von dem Vorfall gehört und hatten sich ihr Urteil gebildet. Wir lesen heute etwas in der Zeitung (zumindest die Älteren unter uns), hören etwas in sozialen Netzwerken oder auch nur Gerüchte und urteilen nicht weniger schnell, als die Männer vor fast 2000 Jahren.

Auch wir fordern Strafen von Gott und vom Gesetz, zumindest aber Ächtung und Ausschluss. Und auch heute noch würde Jesus genauso reagieren. Wer von uns ohne Schuld ist, darf den ersten Stein werfen. Jesus redet auch heute Sünde nicht klein, ganz im Gegenteil. Er sagt sehr deutlich: „Fass du dir erst einmal an die eigene Nase, bevor du andere verurteilst!“

Warum tut er das? Aus Liebe – aus Liebe zu denen, die wir verurteilen, aber auch aus Liebe zu uns. Wir können und wir müssen davon ausgehen: Seine Motivation ist immer Liebe.

Sei gesegnet!

„Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst?“ (Die Bibel)

Jürgen Ferrary für GottinBerlin

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