Judenstern

„Böse Autofahrer“

Als ich gestern im Supermarkt an der Kasse stand, wurde ich Zeuge eines (doch ziemlich lauten) Gesprächs zwischen zwei älteren Herrschaften. Beides waren augenscheinlich passionierte Fahrradfahrer, denn sie beschwerten sich immerfort über die „bösen Autofahrer“. Nun fahre ich selbst viel Fahrrad, war aber gestern nun mit dem Auto einkaufen. Nach einer ganzen Weile sah mich einer der beiden ziemlich eindringlich an. Ich hatte das Gefühl, er wollte Zustimmung von mir ernten. Da er mich eine ganze Weile lang ansah, antworte ich dann auch und sagte: „Ich bin ja für mehr Miteinander im Straßenverkehr und nicht so viel für das Abgrenzen und Schimpfen!“

Die beiden wirkten etwas irritiert, also sagte ich: „Ich fahre Auto, ich fahre Motorrad, Fahrrad und bin auch noch Fußgänger. Es kommt doch immer auf die Perspektive darauf an, oder?“ Fußgänger war ein gutes Stichwort, denn die waren wohl das nächste Feindbild der beiden.

Feindbild

„Also, als ich letztens wirklich im Schritttempo über den Bürgersteig gefahren bin, da hat sich doch so ein Fußgänger mitten in den Weg gestellt und wollte mich nicht vorbeilassen.“ Jetzt musste ich noch einmal kontern: „Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie sich gerade darüber beschwert, dass die Autofahrer sich nicht an die Regeln im Straßenverkehr halten würden, Sie fahren aber mit dem Rad über den Bürgersteig? Und morgen treffe ich hier Fußgänger an der Ampel, die sich über die Fahrradfahrer beschweren oder was?“

Sünde

Kurz kamen die beiden ins Nachdenken, dann kam mein Lieblingswort: „Aber …“ Es ist erstaunlich, wie wir Gesetze für uns auslegen und sie nutzen, wenn wir damit andere anklagen können, selbst aber gerne Gesetze brechen, wenn es zu unserem Vorteil ist. Ich möchte die beiden Fahrradfahrer an der Kasse gar nicht verurteilen. Ich kenne das aus meinem Leben auch zur Genüge.

Als man eine Frau beim Ehebruch erwischt, schleift man sie in den Tempel, wo Jesus gerade lehrt. Die Gesetzeslehrer unterbrechen jäh seine Predigt und fordern: „Im Gesetz schreibt uns Mose vor, solche Frauen zu steinigen. Was sagst nun du dazu?“ (Johannes 8, 5 BB).

Natürlich waren es Männer, die die Frau verurteilten. Und natürlich sahen sie den Fall aus ihrer Perspektive. Sie wollten, so heißt es am Anfang des Textes, Jesus eine Falle stellen. Und sie kannten das Gesetz gut, also wussten sie, wovon sie sprechen.

Dennoch haben sie gelogen, denn in beiden Texten bei Mose (3. Mose 20, 10 und 5. Mose 22, 22-24) ist davon die Rede, dass beide Ehebrecher, also Mann und Frau sterben sollten, wenn sie eine „so schlimme“ Sünde begehen und dabei erwischt werden würden. Aber das passte den Herren wohl nicht.

Recht und Gesetz

Wie schnell sind wir dabei, „das Recht“ für uns einzufordern und wie gerne übersehen wir, dass wir dann auch „nach Recht und Gesetz“ beurteilt werden müssten? Wie oft erwarten wir, dass Gott andere straft oder zumindest zurechtbiegt und können es aber selbst nicht verstehen, wenn Gott uns auffordert, uns an die eigene Nase zu fassen.

Wir suchen die Fehler der anderen und meinen, man würde unsere Fehler nicht entdecken – oder gar, dass wir erst gar keine Fehler hätten (zumindest nicht so schlimme wie die anderen). Paulus fordert uns auf: „Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen!“ (1. Korinther 16, 14 BB).

Meine Sünden, deine Sünden

Vielleicht sollten wir uns daran orientieren, so schwer das auch ist, bevor wir urteilen und verurteilen, ganz gleich, ob es um andere Verkehrsteilnehmer geht, die große oder kleine Politik, den Lehrer in der Schule oder auch nur, was der Nachbar alles tut (den wir eh nicht leiden können).

Wenn du schon aufs Gesetz schaust, dann schau dir das ganze Gesetz an. Und wenn du nach dem Gesetz urteilst, dann denke daran, dich auch selbst danach zu richten. Oder besser: Nutze erst gar keine Schubladen, in die du die Menschen steckst, denn das widerspricht dem Gesetz der Liebe. Außerdem macht es dein Leben fröhlicher.

Sei gesegnet.

„Verurteile niemanden, nur weil seine Sünden anders aussehen als deine“ (Sven Kühne).

Jürgen Ferrary für GottinBerlin

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