Wütend auf Gott
Vor kurzem hörte ich von einem Menschen, der sich mit dem Glauben schwertut, weil er total sauer auf Gott sei, sauer auf das, was Gott in seinem Leben zugelassen hätte. Ich kann solche Gefühle absolut verstehen. Wenn ich auf meine Kindheit zurückschaue, dann habe ich auch genügend Grund, wütend auf Gott zu sein.
Warum musste ausgerechnet ich in die Familie geboren werden, in die ich geboren wurde? Meine Mutter liebte den Alkohol mehr als alles andere auf der Welt. Ich kann mich an Situationen erinnern, in denen wir eine Kiste Bier im Kühlschrank hatten, aber nichts zu essen.
Wenn meine Mutter betrunken war, dann war sie unberechenbar. Den einen Tag reagierte sie mit Gewalt auf uns Kinder, den anderen Tag nutzte sie uns, um sich auszuheulen, wie schlimm das Leben doch sei. Nein, ich hatte alles andere, als eine schöne Kindheit.
Eigene Entscheidung
Ich habe lange damit gehadert, hatte lange Wutgefühle in mir. Deswegen kann ich Menschen verstehen, die ähnliches fühlen. Aber ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass es mein Leben nur noch schmerzhafter macht, wenn ich wütend bin auf Dinge, die ich nicht ändern kann oder auf die ich keinen Einfluss (mehr) habe.
Und es war ein schwerer Lernprozess einzusehen, dass Gott uns Menschen eben einen freien Willen lässt. Es war nicht Gott, der den Kasten Bier gekauft hat. Es war nicht Gott, der meine Mutter hat abhängig werden lassen. Es war ihre eigene Entscheidung.
Das Böse war es, das die Bibel Teufel nennt, welches ihr eingeredet hat, die einzige Lösung für ihre auch verkorkste Kindheit wäre es, sich zu berauschen. Und sie hat der Stimme gehört und ist darauf hereingefallen.
Wut überdeckt alles
Allein deshalb war es mir so wichtig, mein Leben anders zu gestalten, auf die Füße zu fallen, denn wir alle haben nur dieses eine Leben – und das wollte ich nicht sich wegwerfen. Aber wütend war ich noch lange, wütend auf alles Mögliche: Wütend auf meine Mutter, wütend auf meinen Vater, der uns verlassen hat, ja sogar wütend auf meinen Bruder, der ausgezogen ist, als ich 11 Jahre alt war.
Und ich war furchtbar wütend auf mich, weil ich mein Leben nicht in den Griff bekommen habe. Aber alles, was ich tat, war zu verhindern, dass ich mein Leben genießen konnte, denn es war kein Platz da für schöne Gefühle, weil die Wut alles überdeckte – aber nichts an der Situation änderte.
Heute verstehe ich, was der Hebräerbrief meint, mit den Worten: „Achtet aufeinander, damit niemand die Gnade Gottes versäumt. Seht zu, dass keine bittere Wurzel unter euch Fuß fassen kann, denn sonst wird sie euch zur Last werden und viele durch ihr Gift verderben“ (Hebräer 12,15 NLB).
Bittere Wurzel
Wenn ich Wut empfinde auf etwas, das ich nicht ändern kann, dann ist das wie eine bitte Wurzel, dann macht mich das bitter und macht mein Leben bitter. Die Gefühle von Wut haben mich dermaßen im Griff, dass sie mich ein ganzes Stück kontrollieren. Folge davon: Ich kann die Gnade Gottes weder sehen noch erleben.
Ich war schon lange Christ, als ich das verstanden habe. Es ist wichtig, gegen diese starke Wurzel vorzugehen, weil sie alles verdirbt. Der Theorie nach ist es ja auch absolut einleuchtend. Wenn ich eh nichts ändern kann, dann bewirkt die Wut nur, dass ich wütend bin, mehr nicht.
Klarer sehen
Deshalb ist es so wichtig, bewusst einen Schnitt zu machen und Dinge fallen zu lassen, Stück für Stück. Ich habe ein Erlebnis nach dem anderen bewusst an Gott abgegeben und habe dies dann auch ausgesprochen. Das hat mir geholfen, dass nicht nur mein Herz freier wurde und ich die Gnade Gottes erleben konnte, sondern auch klarer zu sehen. Ich habe erkannt, dass meine Wut zwar in manchen Bereichen verständlich, Gott aber absolut die falsche Adresse war.
Das tue ich übrigens bis heute. Wenn üble Gefühle aufkommen, die mit meiner Vergangenheit zu tun haben, dann nehme ich mir Zeit, sie zu betrachten und bewusst loszulassen. Das ist wie Unkraut jäten im Garten. Das Leben wird immer schöner.
Es liegt an dir, ob du deine Wut mit dir herumtragen willst oder ob du frei werden willst. Es mag kein leichter Prozess sein, aber ein wichtiger.
Sei gesegnet!
„Nachfolge geht nicht ohne Loslassen. Ballast muss abgeworfen werden“ (Gordon MacDonald).
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de