Gewürzhändler

Interessiert wippen seine Zehen in den spitz zulaufenden hellen Lederpantoffeln. Unter der Kapuze seines langen, braun-weiß gestreiften Kaftans schwarze lockige Haare, blitzende dunkle Augen und ein kräftiger Schnurrbart, der sich beim heftigen Sprechen lebhaft kräuselt.

Mit einer weitausholenden Bewegung, als wollte er mir den ganzen Laden schenken, bittet er mich, näher zu treten. Aber das ist fast unmöglich. Das kleine „Geschäft“, nur durch zwei Bretterwände von den Nachbarständen getrennt, ist so vollgestellt mit dem hundertfälltigen Angebot seiner Waren, dass er kaum selbst darin Platz hat. Und doch gelingt es ihm, eine kleine Ecke freizuschieben, so dass ich neben ihm stehen und seine Schätze bewundern kann: Gewürze und Düfte, bunt und betäubend wie aus „Tausend-und-einer-Nacht“, in breit ausladenden Schalen, in Körben und Krügen, in Gläsern – verschlossen oder offen, so dass man selbst hineinfassen und schnuppern kann.

„Probieren Sie nur“, fordert er immer wieder auf, in seiner drolligen Mischung aus Französisch und Deutsch. „Das da ist gegen Erklältung, das hier gegen Rheuma, dies gegen Melancholie, das für die Liebe, und dort noch etwas Besonderes für ’schöne Gefühle‘ …“

Böse Geister

Als er meine Abwehr sieht, eilfertig: „Sie wollen wirklich nur Safran? Gut, gut, dann trinken Sie aber doch wenigstens eine Tasse Tee mit mir, Pfefferminztee, marokkanisch, süß und heiß.“ Als er merkt, dass er mich nicht überreden kann, zieht er mich noch einmal am Ärmel zurück und sagt beschwörend: „Aber Sie haben ja noch gar nicht alles gesehen! Schauen Sie nur hier, diese getrockneten Hasen und Hühnerpfoten, die sind gut gegen böse Geister“ – und mit einem hastigen Blick nach allen Seiten – „und die gibt’s doch überall!“ Dann, etwas irritiert: „Oder haben Sie keine Angst?“

Mit dem Safran in der Hand drehe ich mich energisch zu meinem Taxifahrer um, der mich durch das verwirrende Labyrinth der verzweigten Gassen dieses orientalischen Suk gelotst hat und unserem Gespräch neugierig gefolgt ist, und bitte ihn: Kommen Sie, wir wollen gehen!“

Stein gegen bösen Blick

Doch kaum haben wir uns ein paar Schritte vom Suk entfernt, läuft der Gewürzhändler hinter uns her, drückt meinem Taxifahrer einen gelb schimmernden Stein in die Hand und flüstert mir zu: „Der ist gut gegen den bösen Blick.“ Verblüfft sehe ich, wie mein Taxifahrer den Stein blitzschnell in seiner Jackentasche verschwinden läßt. Als wir wieder im Auto sitzen, frage ich ihn offen: „Warum haben Sie den Stein genommen? Glauben Sie denn an so etwas?“ „Ja ja“, kommt es verlegen, zögernd, „so richtig glaube ich ja nicht daran, aber man weiß ja nie …“

„Man weiss ja nie …“ und hängt darum ein Hufeisen ans Auto. Man weiss ja nie…“ und trägt verborgen Amulette unter modernen Anzügen und Kleidern. „Man weiss ja nie …“ und lässt sich aus Sternen die Zukunft voraussagen. Man lebt mit Horoskopen, Glücks- oder Unglückstagen, geht zu Wahrsagern und nimmt an Séancen teil. Aufgeklärte, nüchterne, kluge Menschen treffen Entscheidungen nur nach den Anweisungen ihres spiritistischen Gurus. Schüler – verführt von dem „Man weiss ja nie…“ – beschäftigen sich mit Tischerücken, reden mit Medien und werden entsetzt konfrontiert mit ihrem angeblichen Todesdatum.

Erster Schritt in die Faszination

Die Bibel sagt dazu nur einen Satz: „Das alles ist Gott ein Greuel!“

Der Schritt ins Dunkle hat eine schreckliche Faszination. Ein kleiner gelber Stein macht abhängig und öffnet die Tür in eine furchtbare Wirklichkeit. Da feiert man das „Zeitalter des Wassermanns“, kniet vor Runen und Findlingen, begeht Satansmessen und bringt sogar Menschenopfer.

Wer sich mit dieser Welt verbindet, verliert sich selbst und wird zu ihrem Instrument, das ihren Befehlen gehorchen muss. Befreien, herausreissen kann nur einer, der allein das Recht hat zu sagen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ „Ich habe dich losgekauft mit meinem Blut!“ Jesus Christus ist Sieger, auch über alle dunklen Mächte. Vor seinem Wort flüchten sie – und zittern! Wer ihm gehört, braucht keinen Stein als Rückversicherung, muss sich nicht quälen mit dem angstvollen „Man weiss ja nie…“

Dr. Irmhild Bärend für GottinBerlin