Mann steht in der Abendsonne im Wasser

Gibt es viel zu schimpfen?

Über die Kirche gibt es viel zu schimpfen und das nicht erst seit den jüngsten Skandalen. Den einen ist sie zu politisch, den anderen nicht politisch genug, manchem zu offen und manchem zu fromm. Es gibt auch Menschen, die bemängeln, Kirche wäre nur noch eine Firma, die mit Diakonie, Altenheimen und Schulen Geld verdient.  

Ich habe mich auch schon sagen hören: „Die Kirche tut alles, damit gerade junge Menschen austreten!“, wenn der Frust mich wieder einmal gepackt hat. 

Wenn wir über „die Kirche“ schimpfen, wen meinen wir da eigentlich? Wir haben dann schnell eine Institution im Kopf oder ein Gebäude oder einen Gottesdienst. Und ja, ich denke, dass man seine Meinung haben sollte, dass man Dinge kritisieren darf, auch hinterfragen, dass man Missstände aufdecken und benennen sollte. 

Aber dann geht es eben um eine Institution, eine Ortsgemeinde oder eine spezielle Form von Gottesdiensten, die ich nicht ansprechend finde, denn eine Erkenntnis seufzt ziemlich laut in mir: „Oh je … Kirche, das bin ja ich!“

Welches Bild von Kirche habe ich im Kopf?

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Niedergang des Christentums in unseren Breitengraden hausgemacht ist, verkrustete Strukturen, verwässerte Botschaft, befremdliche Kultur, das sind nur einige Stichworte. 

Aber wenn ich mit in die sicherlich berechtigte Kritik einstimme, dann habe ich schon lange das Bild übernommen, dass viele Menschen im Kopf haben (zumindest, wenn es stimmt, was mir immer wieder erzählt wird): Kirche, das ist ein altbackenes Gebäude, mit einer altbackenen Kultur und einem Alleinunterhalter (oder je nach Kirche auch Unterhalterin), der alles andere, als unterhält.

Schon der Schriftsteller und Satiriker Adrian Glass hat 1990 die Kirche und seine Formen in seinem berühmten „Tagebuch eines frommen Chaoten“ auf die Schippe genommen (das sich übrigens absolut lohnt zu lesen, denn bis heute hat sich wenig geändert).

Du und ich!

Die Bibel aber spricht ganz anders über die Kirche (auch, wenn in den meisten großen Amtskirchen das Verständnis ein anderes ist). Kirche, das bist du und das bin ich. Warum? Weil Kirche und Gemeinde nur lebt, wenn wir Kirche sind. 

Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth einen Satz, der das mehr als deutlich macht: „Jedem von uns wird eine geistliche Gabe zum Nutzen der ganzen Gemeinde gegeben“ (1. Korinther 12,7). Jeder von uns ist von Gott begabt. Wozu? Um Gemeinde zu bauen, um Kirche zu sein.   

Kirche ist nicht der Mann im schwarzen Talar, der Orgelspieler und die nette Dame, die am Ausgang die Spenden einsammelt. Kirche, das sind wir Christen. Und wenn die Kirche krankt, dann mag das Strukturen und Institutionen geschuldet sein, aber es liegt in erster Linie an uns.

Es wird Zeit, dass wir wieder Kirche werden, „ekklesia“, Gemeinschaft der Gläubigen, in die sich jede(r) einbringt. Denn es ist, wie bei einem Haus. Das wird auch baufällig, wenn ich mehr und mehr Stützbalken entferne. Und Kirche wird eben immer baufälliger, wenn wir Christen uns nicht einbringen, sondern alles ein paar Amtsträgern überlassen.

Und die Stützbalken für die Gemeinde von Gott, das sind wir, denn Gott selbst rüstet uns mit Gaben aus zum Nutzen der ganzen Gemeinde. Vielleicht sollten wir uns in gleichem Maße, wie wir kritisieren auch einbringen, Missstände beseitigen, helfen, dass Kirche wieder kulturrelevanter wird und die Botschaft selbst klar sagen und auch leben. Dann gäbe es wohl weniger zu kritisieren. 

Sei Kirche und sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de