Wassertropfen

Schafherde

In der Bibel werden Gläubige immer wieder mit einer Herde Schafe verglichen – und ja, ich muss zugeben, auch ich benehme mich ab und an nicht besser als ein Schaf. Sich als Teil einer Schafherde zu sehen tut auch manchmal gut, denn ich habe das Gefühl, ich könne in der Masse ein Stück abtauchen. Aber ist es das, was die Bibel wirklich meint?

Eine Schafherde erinnert mich an ein Kollektiv, in dem ich als Individuum nicht viel zähle, aber auch nicht unbedingt viel nachdenken muss. Versuche, Menschen in solche Systeme zu pressen und damit ihre Individualität aufzulösen, gab es in der Weltgeschichte viele. 

Eine Obrigkeit, ein König, Führer – oder eben in der Bibel ein guter (!) Hirte hat das Sagen, die Masse folgt brav. Das bedeutet dann, dass ich nur im Kollektiv bleiben muss, in der Herde, um alles richtigzumachen. Ich passe mich ein in das System und tue brav und möglichst ohne zu meckern (ich bin ja ein Schaf und keine Ziege), was man von mir verlangt. 

Ich kenne eine ganze Reihe Christen, die so leben. Sie finden es angenehm, dass man ihnen sagt, was richtig und was falsch ist und ihnen Entscheidungen ein Stück abnimmt. 

Wir sollen uns nicht auflösen

Jesus möchte aber nicht, dass wir uns wie Schafe in einer Herde, in einer Masse oder einem Kollektiv auflösen, denn dann würde er uns nicht befreien, sondern uns knechten. Wir sollen uns nicht auflösen als Individuen, sondern ganz im Gegenteil, entdecken, wie großartig, einmalig und einzigartig wir sind. 

Deshalb hat Gott jedem von uns Gaben und Begabungen geschenkt, viele unterschiedliche, eben weil wir unterschiedlich sind als Menschen und wir alle haben unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Vorlieben und Bedürfnisse.

Wusstest du, dass Schafe ein großes Blickfeld von 270 bis 320 Grad haben? Sie können weit und viel sehen, aber mit räumlicher Tiefe haben sie es nicht so, weswegen sie sich hier und da wegen eines Schattens oder eines Grabens erschrecken. Auch können sie nicht besonders scharf sehen oder genau – und nicht, was direkt vor ihrer Nase geschieht. 

Dieses Bild passt schon eher, wenn man uns mit den niedlichen Tieren vergleicht, denn auch wir können viel sehen, haben es aber oft mit der räumlichen Tiefe nicht so. Und, was genau vor unseren Augen abgeht, das entgeht uns auch oft.

Wir brauchen einen Hirten

Allein deswegen brauchen wir einen Hirten, der uns manchmal mit der Nase auf Dinge stupst, der uns bei der Reizüberflutung, die wir täglich erleben, auch mal sehen lässt und der uns beruhigt, wenn ein Schatten uns wieder einmal furchtbar erschreckt. 

Es bleibt die Frage, ob wir uns vom Hirten dann auch leiten lassen, ob wir bereit sind, uns nicht nur in den Arm nehmen zu lassen, um Trost zu empfangen und Stärke, sondern, ob wir auch bereit sind, dass der Hirte uns unsere Einzigartigkeit erkennen lässt, dass er uns zeigt, wo er uns gebrauchen möchte in dieser Welt und wo der Platz ist, den nur wir ausfüllen können. 

Nicht Masse, sondern Klasse

Das hat dann sehr viel mit Individualität zu tun und mit Charakter. In der Masse unterzutauchen ist einfach. Sich berufen zu lassen, braucht Charakter, so, wie es in den Sprüchen des weisen Salomon heißt: „Schon einen jungen Menschen erkennst du an seinen Taten; du siehst daran, ob er Charakter hat“ (Sprüche 20, 11 GNB).

Nicht Masse, sondern Klasse – nicht in der Gemeinschaft abtauchen, sondern erkennen, wie wertvoll und wichtig du bist und dich dann vom guten Hirten leiten zu lassen – das ist eine Kunst, die nicht immer leicht ist. Bist du bereit dazu?

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de