Mond

Moralische Erinnerung

In Johannes 8, 11 gebietet Jesus einer Frau, die beim Ehebruch erwischt worden war: „Du kannst gehen, aber sündige nun nicht mehr!“ (HfA). Wie bitte soll das funktionieren? Und warum sagt Jesus so etwas, wo es doch augenscheinlich unmöglich ist, in seinem Leben nicht zu sündigen?
Es gibt eine Reihe Theologen, die meinen, Jesus würde der Frau hier einen guten Rat mitgeben, so wie man einem Kind mitgibt, es solle nicht mehr bei einer Klassenarbeit abschreiben, aufhören an den Fingernägeln zu kauen oder ab sofort das Handy pünktlich weglegen. Eigentlich weiß man, dass das nicht funktioniert, aber die Ansage soll dann so etwas wie eine moralische Erinnerung sein.

Erklärversuche

Andere sehen in den Worten von Jesus einen Seitenhieb gegen die Gesetzeslehrer, die ja die Frau wegen ihrer überführten Sünde zu Jesus gezerrt hatten. Nun stelle er sie genau deswegen selbst bloß, weil er ihnen ja gerade klargemacht hatte, dass auch sie Dreck am Stecken hatten.

Ich plädiere dafür, den Text erst einmal so zu nehmen, wie er ist, ganz ohne komplizierte Erklärversuche. Jesus sagt der Frau, sie solle ab sofort einen anderen, einen neuen, einen guten Weg gehen und nicht mehr sündigen, und er meint es genau so, wie er es sagt.

Neues Problem

Aber das stellt uns vor ein neues Problem, denn das würde bedeuten, dass Jesus etwas fordert, das ein Mensch nicht leisten kann. Das kann aber nicht sein. Auf der anderen Seite lesen wir auch in der Bibel: „Wenn wir sagen, wir seien ohne Schuld, betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1. Johannes 1, 8 NLB).

Um dieses Spannungsfeld aufzulösen, müssen wir uns die Sünde einmal näher anschauen. Römer 3, 23 sagt ganz klar, dass es außer Jesus keinen Menschen auf dieser Erde gibt, der nicht gesündigt hätte. Sünde gehört zu uns und zu unserem alten Leben dazu.

Sünde haben und Sünde tun

Sünde ist Teil von uns. Aber wir müssen der Sünde nicht nachgeben. Eine Passage, die mich tief berührt, ist Jakobus 1, 14-15 (NLB), wo es heißt: „Jeder Mensch wird durch seine eigenen Begierden verlockt, geködert und verführt. Wer seinen Begierden nachgibt, sündigt, und die vollzogene Sünde führt zum Tod.“

Sünde „haben“ und Sünde „tun“ sind zweierlei Dinge. Jeder von uns hat Schwachpunkte. Jeder wird an bestimmten Stellen in seinem Leben „verlockt, geködert und verführt.“ Die Frage ist aber, ob wir diesen Verlockungen nachgeben oder nicht.

Wenn ich zum Beispiel abnehmen möchte und mir das ganz fest vornehme, dann bedeutet das ja nicht, dass es keine leckere Torte mehr gibt im Leben. Aber die Frage ist: Wie gehe ich damit um, wenn ich welche sehe und mir das Wasser im Mund zusammenläuft?

Verlockungen

Wenn Jesus sagt: „Sündige ab jetzt nicht mehr!“, dann meint er nicht, dass es keine Verlockungen mehr gibt, sondern, dass ein Mensch die Kraft besitzt, diesen Verlockungen zu widerstehen. Warum? Weil er uns selbst diese Kraft geben möchte!

Noch eine Bibelstelle. Galater 5, 24 (HfA) sagt: „Diejenigen, die zu Christus Jesus gehören, haben die Leidenschaften und Begierden ihrer sündigen Natur an sein Kreuz geschlagen.“ Nett gesagt, aber wenn du schon einmal versucht hast, von irgendeiner Sünde loszukommen, dann weißt du, dass das noch viel schwerer ist als Diät zu halten.

Entscheidung

Dennoch beginnt beides im Kopf (die Diät, aber viel mehr noch die Frage nach der Sünde). Es beginnt mit einer Entscheidung. Und ja, ich werde immer wieder mal fallen, aber das beginnt alles wieder mit meiner Entscheidung. Stehe ich auf und gehe den nächsten Schritt oder bleibe ich liegen?

Uns sagt Jesus auch: „Geh den neuen Weg und nicht den alten. Sündige nicht mehr und lass die Sünde hinter dir!“ Das tut er aus Liebe, weil er weiß, dass uns die Sünde schädigt. Wir stehen also immer wieder vor einer Entscheidung: Sind wir bereit, loszulassen, Sünde abzulegen oder geben wir uns der Sünde immer wieder hin? Wie entscheidest du dich?

Sei gesegnet!

„Merke dir, willst du die Sünde nicht lassen, willst du nicht davon frei werden, so ist deine Beichte Lüge und Heuchelei gewesen und Vergebung der Sünden hast du nicht bekommen“ (Ludwig Harms).

Jürgen Ferrary für GottinBerlin

Möchtest du meine Andacht jeden Morgen auf dein Handy bekommen? Dann abonniere gern meinen Kanal: https://t.me/juergensgedanken