Empathie?

Vor einiger Zeit sprach mich eine Kollegin zum Thema Bio-Produkte an. Irgendwie hatte sie mitbekommen, dass wir versuchen, so viel wie möglich davon zu kaufen und auf so viel wie möglich konventionell produzierter Lebensmittel zu verzichten. Die Dame wollte mit mir nicht etwa diskutieren, sie wollte ihre Emotionen auf mich abladen und mich davon überzeugen, meine Einstellung zu ändern. 

„Wer sagt dir denn schon, dass dein Fleisch wirklich zu 100% Bio ist?“, fragte sie mich fast hämisch. Erst wollte ich sagen: „Besser, dass vielleicht 80 % der Tiere (oder 90 %?) eine gewisse Lebensqualität haben, als gar keine.“ Aber dann fragte ich sie, ob  sie es nicht interessieren würde, wie die Tiere, die wir so essen, lebten. 

„Mir ist es egal, wo mein Schnitzel herkommt. Es ist ja nur ein Schnitzel“, war ihre Antwort. Ich bin der Meinung, dass jeder selbst entscheiden muss, was er kaufen will oder natürlich auch, was er sich finanziell kaufen kann. Aber etwas anderes fiel mir auf. Diese Kollegin hat eine wahnsinnige Empathie, was Hunde angeht – wenn sie sieht, dass ein Hund schlecht behandelt wird, dann rastet sie förmlich aus – aber sie hat keine (oder wenig) Empathie, was andere Tiere angeht. 

Das ist auf der einen Seite erstaunlich, auf der anderen auch ein Stück normal – wenn auch vielleicht nicht immer gerecht. Meist haben wir Empathie, wenn uns Dinge selbst betreffen. Jona war sauer, weil ein Rizinus-Strauch, den Gott über hat ihm wachsen lassen, ihm nun keinen Schatten mehr gab, sondern durch einen Wurm, den Gott ebenfalls geschickt hatte – vertrocknet war. 

Die Lust am Leben verlieren

Es betraf ihn. Jona war so sauer, dass er wieder einmal die Lust am Leben verlor. Die Konversation zwischen Gott und Jona ist sowohl spannend als auch erhellend: 

„Da wünschte er sich den Tod und sprach: Ich möchte lieber tot sein als leben. Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um des Rizinus willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod. Und der Herr sprach: Dich jammert der Rizinus, um den du dich nicht gemüht hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, der in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?“(Jona 4, 8-11 BB). 

Bei Jona ist die Sache eindeutig. Der Rizinus-Strauch war ihm nützlich, also hatte er „Mitgefühl“ mit ihm. Jona konnte die Menschen in Ninive nicht leiden, denn die waren böse und gemein – also war es ihm egal, was aus ihnen wurde. Ganz im Gegenteil, er wünsche sich, Gott würde zwischen ihnen mächtig wüten.

Einen Spiegel vorhalten

Und jetzt kommt der Clou, denn Gott hält uns mit dieser kleinen Passage wieder einmal einen Spiegel vor. Ich zumindest fühle mich ziemlich ertappt. Kann es sein, dass uns manche Menschen ziemlich egal sind? Kann es sein, dass wir mehr Empathie mit einem Strauch, mit einem süßen Tier, mit allem möglichen haben, als mit manchem unserer Mitmenschen?

Es muss noch nicht einmal sein, dass wir sie ablehnen. Viele sind uns einfach egal. Meine Worte über meine Nachbarin vor ein paar Tagen zum Beispiel haben viele Reaktionen hervorgerufen. Kann es sein, dass mein Ärger über sie meine Empathie überlagert?

Wenn es jemanden gibt, der Jesus ganz dringend braucht, seine Liebe, seine Ruhe, seinen Frieden, dann doch diese Frau. Aber anstatt für sie zu beten, ärgere ich mich und wünsche mir, ihr bloß nicht zu begegnen. Anstatt sie zu segnen, hängen negative Gedanken in meinem Kopf fest und binden mich. 

Ich weiß, niemand von uns kann ein Übermensch sein, niemand von uns ist Mutter Teresa und hat ein Herz nur für andere. Dennoch ist es gut, ab und zu gespiegelt zu werden. Es bringt uns wieder ins Bewusstsein, dass Gott auch die Menschen liebt, die wir ablehnen oder die uns egal sind (und wer weiß, wie viele Menschen uns ablehnen oder wie vielen wir egal sind).

Lass uns in die neue Woche starten und bewusst für andere Menschen beten, bewusst mal nicht für uns selbst. Lass uns beten, dass sie sie Liebe von Gott spüren und erleben und, dass Gott sie mächtig segnet – ganz ohne Hintergedanken, einfach nur, weil Gott sie liebt. 

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten

https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de