Ein Gleichnis von zwei Söhnen
Ich darf seit einigen Monaten eine angehende Pfarrerin in der Schule begleiten, die bald eine Prüfung ablegen muss, damit sie später auch an Schulen arbeiten darf. Eine Lehreinheit, die sie für die Schule vorbereitet hat, handelt vom bekannten Gleichnis vom verlorenen Sohn – was ja eigentlich ein Gleichnis von zwei Söhnen ist. Es geht um die Barmherzigkeit des Vaters. Diese Geschichte, die Jesus erzählt, trifft mich immer wieder ins Herz:
Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere lässt sich noch zu Lebzeiten des Vaters sein Erbe auszahlen, verlässt Haus und Hof und zieht in die Welt, wo er alles verprasst. Als er dann hungernd keinen anderen, als den schlecht bezahlten Job des Schweinehüters findet, der nicht genug abwirft, um ihn satt zu machen, entscheidet er sich, zurück nach Hause zu kehren und seinen Vater um Vergebung zu bitten.
Barmherzigkeit des Vaters
Als einfacher Arbeiter will er ihm dienen, denn er weiß, die Arbeiter seines Vaters müssen nicht hungern. Als er noch weit vom Hof entfernt ist, sieht ihn der Vater schon und läuft ihm entgegen. Seine Güte und Barmherzigkeit sind so groß, dass er dem Sohn nicht nur verzeiht, sondern ihn wieder als Sohn annimmt.
Er schlachtet ein Kalb und feiert ein großes Fest, zieht seinem verlorenen und wiedergefundenen Sohn gute Kleider an und steckt ihm sogar einen wertvollen Ring an den Finger.
Darüber ist der ältere der beiden Brüder natürlich alles andere, als glücklich und zieht sich schmollend zurück – verständlich! (Nachzulesen bei Lukas 15).
Ich kann den großen Bruder absolut verstehen. Ich wäre wohl auch nicht auf das Fest gegangen. Der ältere Sohn hatte die ganzen Jahre alles richtig gemacht, hatte nie etwas verbrochen. Aber ein Fest hatte der Vater nie für ihn gegeben. Er muss so wütend gewesen sein, dass er fast platzte.
Wie geht es uns mit der Geschichte?
Ich würde auch denken: „Das ist nicht fair, was der Vater da macht. Für den älteren hätte er ein Fest feiern sollen, nicht für den verkommenen, jüngeren Sohn, der alles falsch gemacht hat!“ Und so fühlen wir uns im Leben auch manchmal und nehmen die Haltung des großen Bruders ein. Eigentlich hätten wir dies oder das verdient und müssen dann doch sehen, dass andere gesegnet werden.
So verständlich unser Frust ist, wir dürfen eines nicht vergessen: Gott liebt es, barmherzig zu sein, wenn Menschen ihn darum bitten. Gott liebt es, den Gescheiterten wieder aufzurichten und wieder an sein Herz zu ziehen.
Das gilt jedem Menschen, also auch dir, uns, mir. Er will und wird gerne barmherzig sein, wenn wir es brauchen und ihn darum bitten. In Micha 6, 7-8 (HfA) steht: „Hat er Gefallen daran, wenn wir ihm Tausende von Schafböcken und ganze Ströme von Olivenöl darbringen? Oder sollen wir ihm sogar unsere ältesten Söhne opfern, um unsere Schuld wiedergutzumachen?« Nein! Der HERR hat euch doch längst gesagt, was gut ist! Er fordert von euch Menschen nur eines: Haltet euch an das Recht, begegnet anderen mit Güte, und lebt in Ehrfurcht vor eurem Gott!“
Gott hat Freude daran, Barmherzigkeit zu zeigen. Sei also auch ein Mensch der Barmherzigkeit. Übe und freue dich daran, wenn du siehst, dass andere Menschen Barmherzigkeit von Gott erleben. Wenn wir sauer sind – so berechtigt wir das vielleicht auch empfinden – macht das unser Herz hart. Wenn wir uns mit anderen freuen – so hart das auch manchmal sein mag – bleibt unser Herz weich und empfänglich für Gottes Liebe.
Und wenn du merkst, dass der Frust dich dennoch wurmt – was auch verständlich ist – dann tausche den Frust ein. Geh bewusst ans Kreuz und lege deine Wut, deine Enttäuschung und deinen Frust ab. Und bitte Gott, dass er diese Gefühle austauscht gegen eine tiefe Freude.
Mal schauen, ob „meine“ Vikarin am Ende der Einheit den Kindern beigebracht hat, dass es gut ist, ein barmherziger Mensch zu sein. Ich hoffe es.
Sei gesegnet!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de