Laken sind auf einer Wäscheleine aufgehangen

Eine Herausforderung

Siebente und achte Stunde Religionsunterricht eine Woche vor den Weihnachtsferien mit einer sechsten Klasse ist eine Herausforderung, zumal die Lerngruppe an diesem Tag aus zwei Klassen zusammengesetzt ist und das immer wieder zu Spannungen führt. Ich versuche, die Schüler zu ködern, indem ich ihnen verspreche, in der letzten Stunde vor den Ferien einen Film zu zeigen, wenn die Stunde gut verlaufen würde. Es dauert und ist anstrengend, aber sie endet damit, dass viele Kinder tief bewegt sind. 

Wir hatten in den vergangenen Wochen über Weihnachtsbräuche und deren Herkunft gesprochen und darüber, wie man in anderen Ländern feiert. Heute frage ich die Kids: „Warum feiern wir eigentlich Weihnachten?“ – „Ist doch klar“, rufen die ersten in die Klasse, „weil Jesus da geboren worden ist!“

Ich bohre weiter nach: „Ja, das ist klar. Aber warum hat sich Weihnachten, ein Fest, an dem die Geburt eines Babys gefeiert wird, durchgesetzt, aber andere Feste nicht? Zum Beispiel das muslimische Zuckerfest, das jüdische Chanukka oder das hinduistische Lichterfest Diwali?“ Merkwürdig!

Merkwürdigkeiten

Nun herrscht Schweigen. Wir schauen uns den Bericht der Geburt Jesu in der Bibel an. Lauter Merkwürdigkeiten: Eine Frau, die behauptet, schwanger zu sein, ohne je mit einem Mann geschlafen zu haben. Ein Mann, der sie trotzdem nicht verstößt, sondern zu ihr steht, Hirten, die ihre Herde im Stich lassen und zu einem Stall nach Bethlehem laufen, wo sie völlig verändert werden. Heilige Drei Könige, die weder heilig, noch drei, noch Könige waren, sondern Magier oder Sterndeuter in unbekannter Zahl, die teure Geschenke in einen Hinterhof-Stall bringen und ein kleines, frisch geborenes Baby anbeten. 

Alles sehr merkwürdig. 

„Also noch mal meine Frage“, steige ich wieder ein, „warum feiern wir eigentlich Weihnachten?“ Dann kommt eine Antwort, die mich erstaunt. Ein Kind sagt: „Weil die Menschen damals, also die Hirten und die Heiligen Drei Könige (da war es wieder … Aufklärung nichts gebracht) etwas erkannt haben, was wir heute nicht mehr erkennen…“

Bingo. Ich summe eine Melodie: „Christ der Retter ist da, Christ der Retter ist da …“ Das kennen fast alle und stimmen leise mit ein. „Aber was bedeutet das jetzt?“, frage ich. „Dass Jesus die Welt gerettet hat“, sagt ein Kind mit strahlendem Gesicht (so weit man das mit der Maske sehen kann). „Ja, das hat er. Aber nicht einfach nur die Welt, er möchte jeden von uns erreichen!“

Evangelium

Und ich beginne noch einmal das Evangelium zu erklären, was es bedeutet, von Gott getrennt zu sein, weil man sich für den falschen Weg entschieden hat. Und, was es bedeutet, gerettet zu sein. „Ich glaube, dass sich deswegen Weihnachten durchgesetzt hat, weil so viele Menschen erlebt haben, dass Gott sie neu anfangen lässt, dass Gott eine zweite Chance gewährt, dass Menschen allen Müll aus ihrem Leben hinter sich lassen können“.

Viele Kinder sind berührt, als sie erfahren, dass auch ich ein Leben hinter mir hatte, ein Leben ohne Gott, ein Leben mit Grauen und Leid, ein Leben in Schuld. In der Apostelgeschichte heißt es: „Da sprach die Stimme ein zweites Mal zu ihm: »Wenn Gott etwas für rein erklärt hat, dann nenne du es nicht unrein.«“ (Apostelgeschichte 10, 15 HfA). 

Was bedeutet Weihnachten?

Weihnachten bedeutet, dass Gott Mensch wurde, damit wir Menschen neu anfangen können. Der Retter kam, um uns aus dem Dunkel unsere Vergangenheit zu retten und uns nicht nur sauber, sondern „rein“zumachen. So viele Menschen leiden unter ihrer Vergangenheit, unter dem, was ihnen angetan wurde oder unter dem, was sie selbst getan haben. 

Die Hirten wie die Magier haben erkannt: Das kleine Baby ist wirklich der Sohn Gottes, der die Welt rettet, der uns reinmacht von aller Schuld, die Hand, die Gott uns ausstreckt. Mein Gebet ist es (und das ist nicht nur ein Spruch), dass dieses Weihnachten für viele wirklich Weihnachten wird, in dem sie das größte Geschenk annehmen, das es gibt – den Retter.

Ich bete, dass du erlebst, was Weihnachten für dich bedeutet – und wenn du das schon erlebt hast, dann schließe dich mir an und bete für Menschen in deinem Umfeld. 

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de