3 Männer laufen in der Wüste

Teltowkanal

Ich bin in Zehlendorf-Süd groß geworden, in unmittelbarer Nähe zur Mauer. Das Gebiet rund um den Teltowkanal, das, was wir „Niemandsland“ nannten, also das Gelände zwischen Grenzpfeilern und dem Grenzzaun, das war, wie ein riesiger Abenteuerspielplatz für uns. Wie oft hatte ich mit anderen Kindern beim Weg am Kanal gespielt? Ich kannte die Gegend wie meine Westentasche. Wirklich?

Vor einigen Wochen entdeckte ich Fotos von einem „Lost-Place“ in einem sozialen Netzwerk. Da ich die Dame, die die Bilder eingestellt hatte, kannte, schrieb ich sie an, denn unter den Bildern stand, sie wären an der Grenze von Zehlendorf-Süd nach Lichterfelde direkt am Teltowkanal entstanden. Das wollte ich nicht so recht glauben. 

Dennoch war es wahr. Der „Lost Place“ ist ein ehemaliges Klärwerk, das sich direkt neben der wieder hergestellten Knesebeckbrücke befindet. Zu Mauer-Zeiten waren wir oft hier, denn als ich noch klein war, konnte man noch auf die Brücke bis zur Mitte des Kanals direkt an den Grenzzaun laufen – das fanden wir sehr aufregend.

Mit Blindheit geschlagen

Aber von einem verfallenen Klärwerk wusste ich nichts. Dennoch war es da – und gerade vor ein paar Tagen habe ich es endlich einmal besucht. Wir glauben oft, jeden Stock, jeden Stein, jede Lebenssituation, jedes mögliche Problem zu kennen und müssen dann doch feststellen, dass wir wie mit Blindheit geschlagen sind, dass unser Wissen und unser Erfahrungshorizont begrenzt ist.

Ein Stück so ging es zwei Freunden von Jesus. Diese hatten sich nach der Kreuzigung aufgemacht, um von Jerusalem in den Ort Emmaus zu wandern. Etwa zwölf Kilometer Weg lag vor ihnen. Als sie den langen Weg liefen, erschien ihnen der Auferstandene plötzlich und wanderte eine Zeit lang mit ihnen. „Aber sie erkannten ihn nicht; sie waren wie mit Blindheit geschlagen“, so heißt es in Lukas 24, 16 (GNB).

Sie kannten Jesus, sie hatten viel mit ihm erlebt – und dennoch erkannten sie ihn nicht, als er selbst ihnen die frohe Botschaft von seiner Auferstehung erzählen wollte. Sie waren niedergeschlagen und hoffnungslos und eben wie mit Blindheit geschlagen. 

Ich persönlich wäre an Stelle von Jesus ziemlich enttäuscht gewesen. Hatte er ihnen nicht vorher mehrmals gesagt, dass das alles geschehen würde? Warum hatten sie ihm nicht geglaubt? Warum erkannten sie ihn also jetzt nicht? Warum tanzten sie nicht vor Freude, weil alles so eingetreten war, wie er es vorausgesagt hatte? Warum waren sie stattdessen immer noch bedrückt? 

Erkenntnis verändert

Jesus reagiert aber anders als ich es getan hätte. Er hörte ihnen geduldig zu, er erklärte ihnen, was geschehen war, und als er abends das Tischgebet gesprochen und das Brot gebrochen hatte, erkannten sie ihn. Jesus entschwand ihren Augen wieder – aber die Erkenntnis veränderte die beiden total. 

„Sie sagten zueinander: »Brannte es nicht wie ein Feuer in unserem Herzen, als er unterwegs mit uns sprach und uns den Sinn der Heiligen Schriften aufschloss?«“ (Lukas 24, 32 GNB). Wie oft laufen wir, wie mit Blindheit geschlagen durchs Leben, erkennen nicht, dass Jesus die ganze Zeit an unserer Seite ist, sondern haben all unseren Gedanken und all unsere Energie auf unsere Probleme und Sorgen fokussiert. 

Und wie oft merken wir erst hinterher, dass Jesus uns nie alleine gelassen hat und bei uns war? Hat er es damals nicht versprochen? „»Ihr dürft sicher sein: Ich bin immer bei euch, bis das Ende dieser Welt gekommen ist!«“ (Matthäus 28, 20 HfA). 

Wenn mich die Geschichte der Freunde auf dem Weg nach Emmaus eines lehrt, dann das, dass wir Hoffnung haben dürfen, auch, wenn wir keine Hoffnung sehen, dass wir oft ganz nah dran sind und dennoch wie mit Blindheit geschlagen. Das Versprechen von Jesus galt damals, es gilt heute und es gilt, bis diese Welt eines Tages ihr Ende erreicht. Die Freunde damals wurden durch die Begegnung so mit Kraft und Freude erfüllt, dass sie sich sofort wieder auf den Weg zurück nach Jerusalem machten, um allen davon zu berichten, dass es wahr ist: Jesus ist von den Toten auferstanden. Er lebt!

Auch, wenn wir so manches Mal im Leben wie mit Blindheit geschlagen sind, Jesus ist da – er möchte auch uns begegnen, möchte auch uns begleiten und uns Freude schenken, besonders da, wo wir niedergeschlagen sind. Erkennen wir ihn dann auch?

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de