Zum letzten Mal

Meine Frau Alexandra und ich haben uns schon oft darüber unterhalten, wie es wäre, wenn man vorher wüsste, dass irgendetwas zum letzten Mal geschieht, man jemanden oder etwas zum letzten Mal sieht oder dass eine Handlung, ein Gespräch, ein Streit zu einem Bruch mit einer Person führen würde. Würde man die Situation dann bewusster wahrnehmen? Hätte man das Stück mehr genossen, wenn man gewusst hätte, dass das Theater schließt? Hätte man den Streit verhindern können, der dazu geführt hat, dass die Freundschaft zerbrochen ist? Hätte man sich anders verabschiedet, wenn man gewusst hätte, man sieht den anderen nicht wieder? 

Feriencamp

Wir sind gerade auf Schwanenwerder gewesen, einer wunderschönen Halbinsel im Süden Berlins. Hier haben wir in jungen Jahren viel Zeit verbracht. Es gab auf dieser Halbinsel ein Feriencamp des Bezirksamtes, in dem Kinder, die sonst wahrscheinlich nicht hätten verreisen können, Urlaub machen konnten. Alexandra und ich waren dort viele Jahre als Betreuer tätig, bis, ja bis im Juli 2002 ein heftiger Sturm über Berlin fegte und Unglück, Leid und Tod mit sich brachte. Zwei Kinder starben auf dem Zeltplatz auf Schwanen Werder – und seitdem gibt es das Leger nicht mehr.

Wenn wir gewusst hätten …?

Als wir nun vor dem Tor standen und das zugewachsene Grundstück und die halb verfallenen Hütten sahen, war das so ein Moment. Wir haben unendlich viele gute Stunden und Tage dort auf Schwanenwerder verbracht. Wenn wir gewusst hätten, dass der Sommer 2002 der letzte sein würde – hätten wir die Zeit mehr genossen? Wenn wir gewusst hätten, dass ein Sturm aufkommen und zwei Kinder sterben würden – hätten wir im Voraus anders reagiert? Die Kinder gehörten zu fremden Gruppen, also hatten wir keinen Einfluss darauf, wo sie waren oder was sie taten – aber: Hätten wir dennoch das Unglück verhindern können?

Selbstvorwürfe

Besonders einschneidend für unser Herz ist es, wenn etwas zerbrochen ist und man dann zurück schaut. Oft martern einen dann Fragen und Selbst-Vorwürfe: „Hätte ich anderes reagieren können … oder müssen?…“ 

Aber, wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist, dann lässt sich manches eben nicht mehr rückgängig machen. Und dann kommt es vor, dass uns Schuldgefühle plagen. Schnell verurteilen wir uns selber. Schnell kommen wir zu dem Punkt, an dem wir uns selbst nicht vergeben können. Wir sind Schuld, basta!

Gott ist anders

Und Vergebung bei Gott ist anders. Wenn wir lernen zu vergeben, auch uns selbst zu vergeben, dann passiert es zuweilen, dass wir das, was wir vergeben wollen, nur in eine Schublade tun, um es just im nächsten passenden Augenblick wieder vor zu kramen. „Siehst du, so war der oder die ja schon immer … schon damals…“ Oder auf uns selbst gemünzt: „Ich wusste doch, ich bin nichts wert. Immer und immer wieder mache ich die selben Fehler!“

Vergebung bei Gott

Vergebung bei Gott heißt, dass Dinge, die vergeben wurden, nicht mehr da sind. Nicht in der Schublade, sondern einfach weg sind. Im Buch Micha ist das wunderbar beschrieben: „Gott wird sich wieder über uns erbarmen, alle unsere Sünden zertreten und alle unsere Verfehlungen ins tiefe Meer werfen!“ (Micha 7,19)

Worauf hören wir?

Deshalb ist es gut, wenn es um Selbstverurteilung geht, wenn wir versuchen, nicht auf unser eigenes Herz zu hören (wie oft haben uns Gefühle schon betrogen?), sondern schauen, was Gott von uns denkt. Gott kennt bei seinen Kindern keine Loser, keine Menschen, die nichts wert sind, niemanden der sich selbst verurteilen muss. 

Liebe empfangen

Wenn mich Lasten drücken, dann ist auch das ein Punkt, wo ich ein Tausch am Kreuz vornehmen kann und sollte. Ich darf ans Kreuz gehen und die Dinge, die dazu führen, dass ich mich selbst anklage, ablegen. Und ich kann dort am Kreuz Vergebung und Liebe von Gott empfangen. Gott tauscht meine Schuldgefühle ein in das Bewusstsein, dass ich Sein geliebtes Kind bin. 

Und er kann auch Türen öffnen, die dazu führen, dass Zerbrochenes heil wird, Kaputten geflickt, Verletztes geheilt! wird.

Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag mit dem Bewusstsein: Wenn du mit Jesus gehst, bist du ein leidenschaftlich geliebtes und unendlich wertvolles Kind Gotts!

Sei gesegnet!

Jürgen Ferrary für GottinBerlin