Erfahrungen

Als Vater bin ich bei der Erziehung meiner Kinder sehr oft innerlich zerrissen. Auf der einen Seite möchte ich meine Kinder davor schützen, dass sie Fehler machen, dass sie sich weh tun, dass sie scheitern. Auf der anderen Seite weiß ich, wie wichtig es ist, dass sie eigene Erfahrungen machen (müssen).  

Herausforderungen

Ein Beispiel, wo mir die Balance besonders schwer fällt, ist das Thema Schule. Schule ist wohl für viele Familien eine Herausforderung. Wenn wir – zum Beispiel am Wochenende, in den Ferien oder gar jetzt in der Corona-Schul-freien-Zeit – von der Schule Aufgaben und Arbeitsblätter bekommen, dann weiß ich, noch bevor ich ein Wort gesagt habe: Spreche ich meinen Sohn darauf an, dann gibt es heftigen Widerstand von ihm: „Hey Josh, wir müssen noch ‚was für die Schule tun!“ – Reaktion: Terror.

Negative Erfahrungen

Das ist so einer der Momente, wo ich denke: „Dann mach doch deinen Kram alleine! Deine Lehrerin wird dir schon den Kopf waschen, wenn du deine Aufgaben nicht gemacht hast.“ Oder: „Du wirst schon sehen, was passiert, wenn du die nächste Arbeit schreibst…“ Vielleicht setzt du dich dann in Zukunft freiwillig hin und lernst. Negative Erfahrungen prägen einen, verändern einen.

Scheitern führt zum Nachdenken

Wenn ich zurück blicke, dann war es in meinem eigenen Leben auch nicht anders. Ich kann mich an eine ganze Reihe Ereignisse erinnern, bei denen ich gescheitert bin, gegen die Wand gelaufen bin, gefallen bin – die mich aber zum Positiven verändert haben. Manch Scheitern hat zum Nachdenken geführt, manches Nachdenken zum Aufpolieren meines Charakters. Im Nachhinein bin ich dankbar, dass ich auch gescheitert bin, denn sonst wäre ich heute nicht der, der ich bin (und ich werde auch weiterhin immer mal wieder scheitern, dessen bin ich mir gewiss, denn Gott ist mit mir noch lange nicht am Ende…).

Gott ist cool

Ich glaube, dass die Art, wie Gott mit uns Menschen umgeht, ähnlich ist. Sicherlich viel liebevoller, denn da, wo ich in der Erziehung an meine Grenzen komme, genervt bin, verzweifle, ist Gott eben viel cooler, weiser, geduldiger, liebevoller. Aber ich bin mir sicher, dass ER, Gott, ein gutes Maß hat, wo er uns bewahrt, wo er rechtzeitig rote Ampeln oder Stop-Schilder aufstellt – und wo er uns auch mal in die Falle rein plumpsen lässt. 

Wendepunkt

Diese Corona-Zeit ist für manch einen so ein Wendepunkt. Ich denke, ich bin nicht der einzige, der in diesen Tagen viel nachdenkt. Sicherheiten, die es gestern angeblich noch gab, sind heute nicht mehr da. Das Leben, das wir gestern noch führten gibt es heute nicht mehr. Und wir wissen nicht, wie die Zeit nach Corona aussehen wird. Themen, die wir sonst gerne vor uns her schieben – Krankheit und Tod – sind so gegenwärtig, dass wir sie im Moment nicht ignorieren können. 

Und es kommt nicht von ungefähr, dass es eine ganze Reihe Menschen gibt, die Fragen stellen, die vor ein paar Wochen noch nicht aktuell waren: Wie ist das eigentlich mit Gott? Ist der jetzt da? Meint der es gut mit mir? Und so wird diese „Zeit der Traurigkeit(en)“ für den einen oder die andere auch zu einem Wendepunkt. 

Verändert sich die Gesellschaft?

Gott lässt diese Zeit zu. Gott lässt es auch zu, dass Menschen sterben. Das ist traurig. Aber die Gesellschaft scheint sich zu verändern. Menschen werden solidarischer, Menschen werden nachdenklicher, Menschen achten das Leben und den Nächsten und ihr eigenes Leben mehr. Für mich ist diese Zeit auf jeden Fall eine sehr intensive Zeit, in der ich Werte ganz besonders schätze: Dass ich (derzeit) gesund bin, dass ich eine tolle Familie habe, dass ich Jesus an meiner Seite habe. 

Gott reicht uns die Hand

Und so beunruhigt mich der Bibelvers dann doch nicht, weil ich weiß: Gott liebt mich, er lässt Traurigkeiten in meinem Leben zu, aber er reicht mir auch gleichzeitig seine Hand. Das ist mit Umkehr gemeint, dass ich nicht Alleine bin, sondern mich Gottes Hand zuwenden kann, der mich aufhebt, trägt, tröstet und mir Mut und Freude für das Morgen gibt.
 
Ich wünsche dir so viel Sonne im Herzen, wie gerade jetzt beim Sonnenaufgang in mein Arbeitszimmer strahlt. Sei gesegnet!
Jürgen Ferrary für GottinBerlin