Sei du selbst

Anstrengender Schultag

Es ist fast 15:30 Uhr. Nach einem langen, anstrengenden Schultag möchte ich mein Material zurück in meinem Schrank bringen. Der ist in der Bücherei der Schule, in der ich arbeite. Ich trage neben einem ganzen Stapel Bibeln eine Menge Kleinkram und versuche nebenbei noch, die Tür aufzuschließen.

Es kommt, wie es kommen musste: Mit einem lauten Krachen fällt ein Großteil der Bibeln auf den Fußboden. Die restlichen Dinge versuche ich fest zu umschlingen, damit nicht alles auf den Boden kracht und noch etwas kaputtgeht. Als ich den fallenden Bibeln hinterherschaue, sehe ich im Augenwinkel einen Vater, der sein Kind von der Schule abholen möchte.

Was für ein Vorbild

Er schaut – anscheinend durch das Geräusch aufgeschreckt – kurz in meine Richtung, dann auf die Bücher auf dem Boden, dann läuft er an mir vorbei. Ich habe mittlerweile die Tür aufbekommen und denke noch: Was für ein Vorbild ist dieser Mann… Wie soll das Kind lernen, anderen zu helfen, wenn der Vater es nicht vorlebt?

Hilfe

In diesem Moment kommt ein Junge um die Ecke, der meinen Religionsunterricht besucht. Es ist einer der auffälligen, lauten Kids, der mir das Leben manches Mal schon schwer gemacht hat. Ohne ein Wort zu sagen, bückt er sich und stapelt die Bücher brav übereinander. Und als ich dann erst die Bibeln und den ganzen Kleinkram, den ich auch noch auf dem Arm hatte, endlich sicher auf einen Tisch in der Bücherei gelegt hatte, steht er mit den restlichen Büchern hinter mir und lächelt mich breit an. Das Jesus Zitat: „Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder … “ (Matthäus 18, 2) kommt mir in den Sinn. Dieser kleine Junge war ein besseres Vorbild als der Vater des anderen Kindes. 

Gute Vorbilder

 „Vorbilder sind ein menschliches Urbedürfnis“, sagt die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich. Und mir wird wieder bewusst, wie wichtig es ist, dass Kinder gute Vorbilder haben – dass ich eines dieser Vorbilder sein darf und sein muss. Paulus schreibt an Titus: „Sei du selbst ihnen in jeder Hinsicht ein gutes Vorbild“ (Titus 2, 7 HfA).

Menschen brauchen Vorbilder und Menschen suchen Vorbilder. Wenn ich es nicht bin, dann ist es jemand anderes, der vielleicht einen Life-Style lebt, den ich nicht unbedingt schätze oder Ansichten vertritt, die ich ablehne. Wie kann ich erwarten, dass Kinder (auch „Kinder im Glauben“) gute Werte finde, wenn ich sie ihnen nicht vorlebe?

Vorbilder gesucht –  Keine Superstars!

In einer Zeitschrift der SMD (Studentenmission Deutschland) stand einst: „Vorbilder gesucht! Keine Superstars…“ (Quelle: www.smd.org). Zum einen kommen und gehen die Superstars – ebenso wie Werte – schneller als man gucken kann, zum anderen entlastet mich das enorm. Ich selbst muss kein Superstar sein, sondern Vorbild. Ein Superstar ist jemand, von dem man denkt, dass er nichts falsch macht. Ein Vorbild ist dagegen ein Held, denn er ist sich seiner Fehler bewusst und reagiert darauf. Dazu gehört auch das Scheitern, Aufstehen, Krönchen richten und weitermachen.

Sei ein Vorbild – und sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de