Blätter liegen auf dem Waldweg

Mitgefühl

Manchmal bin ich erschrocken darüber, wo wir Menschen bewegt und mitfühlend sind und wo nicht. Eine Bekannte von mir zum Beispiel gibt ganz offen zu, dass es ihr das Herz zerreißt, wenn ein Hund von seinem Besitzer nicht gut behandelt wird, aber sie empfindet nichts (um es gelinde zu sagen), wenn Kinder von ihren Eltern vernachlässigt oder geschlagen werden.

Ich brauchte eine Weile, bis ich aus meiner Abwehrhaltung und Ablehnung dieser Einstellung weg kam, denn an der einen oder anderen Stelle geht es mir (und ich denke, den meisten Menschen) auch so. Wir sehen ein Leid, das uns berührt, ein anderes Leid aber berührt unser Herz nicht.

Das ist auch ein Stück menschlich, denke ich, denn wenn wir versuchen würden, alles Leid, alle Not und alle Ungerechtigkeit auf unsere Schultern zu laden, würden wir unter der Last zusammenbrechen. Dennoch ist er manchmal erstaunlich, an welchen Stellen wir mitfühlend sind und an welchen nicht.

Jona

Jona war so wütend darüber, dass Gott die Stadt Ninive nicht dem Erdboden gleich machte, dass er am liebsten sterben wollte. Die Menschen in der Stadt hatten sich – nachdem er Gottes Strafgericht angekündigt hatte – von ihren bösen Taten abgewendet und ernsthaft Buße getan. „Als Gott sah, dass sie von ihren schlechten Wegen umgekehrt waren, bedauerte er, dass er ihnen Unheil angedroht hatte und verschonte sie“ (Jona 3, 10 NLB).

Gleichzeitig ist Jona ebenso wütend und möchte am liebsten gleich noch einmal sterben, als ein Rizinusstrauch, der über Nach neben ihm gewachsen war, wieder einging. Um es deutlich zu sagen: Jona hatte mit dem Strauch Mitleid, Tausenden Menschen der Stadt Ninive wünschte er aber Gottes Strafgericht. Da sprach der Herr: »Dir tut es leid um den Busch, obwohl du nichts getan hast, um ihn entstehen zu lassen. Er wuchs in einer Nacht und verging über Nacht. Ninive aber hat über 120.000 Einwohner, die nicht zwischen links und rechts unterscheiden können, ganz zu schweigen von den vielen Tieren. Sollte ich eine so große Stadt nicht schonen?« (Jona 4, 10-11 HfA).

Gottes Herz ist größer als unseres. Ja, es ist so groß, dass er sogar versucht, dem bockigen, hartherzigen Jona seine Liebe zu verdeutlichen. Jona denkt nur an sich selbst. Er hatte sich auf den Weg gemacht, hatte Mühen auf sich genommen und sogar sein Leben riskiert (woran er ja selbst Schuld war, weil er weglief) – und nun ließ Gott Gnade walten. Umgekehrt hatte der Rizinusstrauch ihm Schatten gespendet.

Sind wir gegen Mitgefühl resistent?

Seine Empathie war also nur an der Stelle groß, wo es ihn selbst betraf. Und ich denke, dass genau dies das große Problem von uns Menschen ist. Oft fühlen wir dann mit, wenn es uns betrifft und sind gegen Mitgefühl fast schon resistent, wenn wir mit der Not und dem Leid augenscheinlich nichts zu tun haben.

Schade

Leider bleibt das Ende bei Jona offen. Es wird nicht gesagt, ob er, wie die Menschen von Ninive, einsieht, dass er falsch liegt. Genauso schade finde ich es, dass wir diese Geschichte schon so lange kennen, aber augenscheinlich das Ganze lieber als Märchen abtun, als uns von ihr verändern zu lassen.

Mitfühlendes Herz

Mein Gebet ist es, ein weiches, liebendes und mitfühlendes Herz zu bekommen, das sich immer mehr frei von meinem Ego macht. Und ich vertraue darauf, dass Gott dann auf mich, mein Herz und meine Ressourcen achten wird.

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de