Frau mit Kafffeetasse liest in der Bibel

Gottesdienstbesucher

Meine erste Gemeinde – Anfang der 90er Jahre, als ich mich entschied, Christ zu werden – war bis auf ein paar Leute in meinem Alter eigentlich wenig aufregend. Durch meine Entscheidung wurde ich „Täter“. Ich gebe offen zu, dass mich die Gottesdienste von damals heute kaum dazu bewegen würden, sonntags meine kuschelige Wohnung zu verlassen. Obwohl ich damals treu mit der Bahn bestimmt eine Stunde unterwegs war, wurde ich aber schnell zu einem regelmäßigen Gottesdienstbesucher.

Was mir damals guttat, war die Gemeinschaft, aber auch, dass ich als Theologiestudent schnell Verantwortung übernehmen und sogar regelmäßig predigen durfte. Kraft für den Alltag habe ich aber von einer ganz anderen Seite bekommen:

Tabor

Die Gemeinde gehörte zu einem Gemeindeverbund mit eigener Ausbildungsstelle in Marburg. Dort fanden regelmäßig Konferenzen statt: Jugendkonferenz, Gemeindekonferenz, Familienkonferenz. Das waren wahre Highlights für mich. Es traten großartige Prediger auf, die mich unwahrscheinlich motivierten und meinen Glauben sehr nach vorne brachten.

Ich fühlte mich immer wie in einer anderen Welt – weit weg von zu Hause, weit weg von allen Problemen, weit weg von meinen Sorgen, weit weg von dem, dass mein Leben alles andere als gut war damals. Hier in Marburg in „Tabor“ war alles gut. Ich fühlte mich wirklich wohl, innerlich frei und merkte, dass Gott mich anrührte. 

Aber kaum war ich wieder zu Hause, legte sich wieder diese Dunkelheit über mein Leben. Eben hatte ich auf der Konferenz gehört, dass Gott mich liebt, dass er antworten will, wenn ich ernsthaft bete, dass er mir ein Leben in Fülle und ein Leben im Sieg schenken möchte – ganz gleich, wie die äußeren Umstände sind. Eben noch habe ich laut „AMEN!“ dazu gesagt. Und jetzt, 500 km weit weg, im Alltag war davon nichts mehr zu spüren. 

Seid Täter und nicht Hörer

Ich wurde zu einem richtigen Event-Hopper, der sich so von Highlight zu Highlight schwang, um immer eine Art Glaubens-Hochgefühl zu spüren. Was lief damals falsch? Warum erlebte ich Gott und seinen Segen auf Konferenzen, zu Hause aber war ich matt und ausgebrannt?

Mein großes Problem damals war, dass ich Zuhörer bzw. Zuschauer war und nicht Akteur. Mit den Worten „Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst!“, ermahnt uns Jakobus in seinem Brief (Jakobus 1, 22 LUT). Ich habe von diesem liebenden, allmächtigen Vater im Himmel gehört, immer und immer wieder, von seinen Wundertaten, davon, dass er uns neu machen möchte, dass er uns Freude im Leben schenken will. Ich hatte mich in einer schönen Atmosphäre ein Stück anstecken lassen von diesen wunderbaren Gefühlen.

Aber ich hatte nur gehört. Glaube heißt auch tun. Gott möchte nicht nur, dass ich weiß, dass er mich liebt, sondern, dass ich die Liebe jeden Tag an mich heranlasse. Gott möchte nicht nur, dass ich weiß, dass die Bibel sein Wort ist, sondern er möchte mit mir durch die Bibel auch sprechen. Gott möchte nicht nur, dass ich von großartigen Gebetserhörungen höre und begeistert im Kopf habe, dass er ein Gott ist, der Wunder tut – er möchte, dass ich das selbst erlebe. Gott möchte nicht nur, dass ich im Kopf habe, dass er Schuld vergibt, er möchte, dass ich erlebe, wie mein Leben leichter wird, indem ich Schuld bei ihm ablade.

Ich habe mich damals ein Stück selbst betrogen, weil mich die Gefühlswallungen über Wasser gehalten haben. Natürlich will Gott mir auch gute Gefühle schenken – aber viel mehr möchte er Teil meines Lebens sein. 

Sei ein Täter oder eine Täterin – nicht nur Hörer oder Hörerin. Höre und dann erlebe, indem du tust. 

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für gottinberlin