Eskalation
Wir sitzen am Rande des Wannsees und wollen das schöne Wetter und das kühle Nass genießen, als mein Blick auf eine Gruppe junger Leute fällt. Diese wollten einen Streit schlichten, der zwischen einem Mann und einer Gruppe stark Alkoholisierter kurz vor dem Eskalieren war. Ich zücke mein Handy, um die Polizei zu rufen, als einer der sichtlich betrunkenen Männer dem anderen Mann mehrfach Schläge androht.
Aber die Jugendlichen haben alles im Griff und klären die Situation. „Wow“, denke ich, „das ist wirklich eine tolle Zivilcourage…“
Verbrüderung
Einen Moment später sehe ich, wie beide Gruppen sich ein Stück verbrüdert haben. In wenigen Meter Entfernung sitzen die Jugendlichen mit so einigem, was berauscht, zusammen. Dazu hat sich die Gruppe der alkoholisierten etwas älteren Leute (etwa mein Alter oder sogar noch etwas jünger) gesetzt. Ich höre noch, wie eine Frau zu einem Jugendlichen sagt: „Hallo, ich bin Jenny, ich bin alleinerziehend und trinke gerne einen über den Durst.“ Das lässt mich erschaudern.
Die Jugendlichen sehen aus, wie ganz normale, durchschnittliche Jugendliche, die eben einen Tag am See genießen wollen, mit dem was (leider) dazu gehört. Die anderen sehen so aus, als wäre der Alkohol ihr täglich Brot. Ohne diese Menschen verurteilen zu wollen, aber wenn man sie an den Bahnhof Zoo gesetzt hätte neben die Obdachlosen, die dort oft verkehren, ich zumindest hätte optisch keinen Unterschied gesehen.
Wahnsinniges Mitleid
Das Reden fällt ihnen schwer, die Bewegungen sind unkontrolliert, das alles kenne ich aus meiner Kindheit aus den Kneipen, in die ich mit meiner Mutter immer mit musste. Mich befällt wahnsinniges Mitleid – und ich denke mir: „Hey, ihr jungen Leute – schaut euch die anderen genau an! Wenn ihr nicht aufpasst, endet ihr ganz genau so.“
Abhängig von Alkohol und Drogen wird man in den meisten Fällen nicht von einem Tag zum anderen. Es ist ein schleichender Prozess. Vielleicht macht das so viele von uns Menschen so sorglos im Umgang damit. „Ist ja noch nie etwas passiert… wird schon auch weiter nichts passieren.“ Aber es ist genau diese Sorglosigkeit, die immer wieder Schuld daran ist, wenn Leute abrutschen. „Mir wird ganz bestimmt nichts passieren. Dafür bin ich viel zu smart!“
Brüllender Löwe
Der Apostel Petrus benutzt ein gutes Bild, um genau das zu verdeutlichen, indem er schreibt: „Seid besonnen und wachsam! Denn der Teufel, euer Todfeind, läuft wie ein brüllender Löwe um euch herum. Er wartet nur darauf, dass er einen von euch verschlingen kann“ (1. Petrus 5, 8). Fast schon witzig (wobei, eher tragisch) ist, dass die Übersetzung nach Martin Luther die Worte nutzt: „Seid nüchtern und wacht…“
Taktik des Bösen
Vieles Schlechtes ist in unserem Leben nicht einfach da. Man wacht nicht morgens auf und ist plötzlich Alkoholiker oder drogenabhängig. Es ist die größte Taktik des Bösen (das die Bibel oft Widersacher oder Teufel nennt), dass diese Dinge so schleichend in unser Leben kommen, wie ein Löwe, der sich anschleicht, sodass es, wenn wir es merken, zu spät ist – plötzlich steht der Löwe vor uns, sodass wir nicht mehr fliehen können.
Deshalb ist die Warnung des Petrus aktueller denn je – es gilt eben nicht nur für unbedarfte Jugendliche, die am Strand trinken, einen rauchen oder etwas klinken. Es betrifft auch dich und mich, denn auch bei uns schläft das Böse nicht.
Im Gebet bleiben
Mein Next-Stept ist, dass ich im Gebet bleibe. Gestern am Wannsee hatte ich keine Chance irgendwie auf die Jugendlichen einzuwirken, außer, dass ich für sie gebetet habe. Heute gilt das Gebet mir selbst. Ich bete, dass Gott aufdeckt, wo ich empfänglich für Dinge bin, die mich abhängig und kaputt machen können. Und dann bete ich, dass Gott diese Dinge wegnimmt, mich stark macht – für mich selbst und, damit ich meinen Kindern ein besseres Vorbild bin, als die Vorbilder, die ich hatte.
Sei gesegnet!
Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com
Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de