Seid nett zueinander

„Sei nett zu deiner Schwester!“ Das ist ein Satz, den wir so unserem Sohn oder eben abgewandelt unserer Tochter immer mal wieder zurufen müssen. Manchmal ist es nicht leicht, großer Bruder zu sein. Ebenso ist es aber auch manchmal schwer, kleine Schwester zu sein. Eigentlich verstehen sich die beiden prächtig, dafür sind wir Eltern sehr dankbar.

Beschweren

Aber ab und an gibt es dann Phasen, wo wir denken, die Kinder wurden eben mal ausgetauscht. Ich kann mich gut daran erinnern, wie unser Sohn irgendwann zu mir ins Arbeitszimmer gekommen ist, weil er sich über seine Schwester beschweren wollte.

Sei gnädig

„Sei gnädig, Joshi“, war meine Antwort. Und dann rief ich es wieder durch die Wohnung: „Sei nett zu deinem Bruder, Sarah!“ Joshua verschwand, kam aber nach kurzer Zeit wieder, weil seine Schwester ihn schon wieder geärgert hatte. Meine Antwort war dieselbe: „Sei gnädig, Joshi!“

Aber noch bevor ich wieder durch die Wohnung rufen konnte, fragte mich Joshua plötzlich: „Wie oft muss ich denn Sarah eigentlich verzeihen? Die ärgert mich doch immer und immer wieder.“ Was sagt man einem 9-jährigen Jungen da?

„Na, wie oft sage ich denn, dass ich dir verzeihe?“, fragte ich als Antwort und dachte mir schon: „Jetzt hast du aber pädagogisch wertvoll reagiert, so richtig fromm!“ Joshua dachte einen Moment nach und antwortete dann: „Na schon ab und zu, aber oft genug bekomme ich dann Handy-Verbot…“

Wie oft sollen wir vergeben?

Das war jetzt nicht das, was ich hatte hören wollen. Ich dachte da eher daran, dass Joshua mir eine Brücke baut zu der Geschichte, wo Jesus gefragt wurde, wie oft wir anderen vergeben sollten. Wieder nichts mit vorbildlichem Vater-Sein. Dass Kinder aber auch so ehrlich sein müssen!

Als die Freunde von Jesus ihn fragten, ob es denn genug wäre, dass man siebenmal jemand anderem vergeben müsste, antwortete der: Siebenundsiebzig mal siebenmal sollten wir das tun. Diese Zahl symbolisiert die Unendlichkeit. Aber selbst, wenn ich die Zahl an sich nehme, dann bedeutet das, dass wir anderen 539 mal selbst für dieselbe Sache vergeben sollen. Und das ist schon eine Menge.

Erkennungszeichen

Zwei Dinge sind mir klar geworden: Vergebung ist das zentrale Thema des Glaubenslebens. Wir Christen tun gut daran, versöhnlicher zu leben, denn auch bei uns gibt es genügend Zank, Streit und Spalterei. Das ist sicherlich alles andere als leicht, aber das sollte dennoch ein Erkennungszeichen für uns sein. Dass wir uns ausrüsten lassen von Gott, stark machen lassen, liebevoller machen lassen, versöhnlicher machen lassen, sprich, dass wir auf unserem Glaubensweg Jesus ähnlicher werden.

Hoher Maßstab

Das zweite ist eine sehr beruhigende Erkenntnis, nämlich: Wenn Jesus möchte, dass wir unendlich oft vergeben, dann setzt er diesen hohen Maßstab, weil er es selber tut. Es gibt kein Limit, was Vergebung angeht. Wir müssen Vergebung von Gott „nur“ in Anspruch nehmen. Es ist nicht so, dass Gott irgendwann sagt: „So, deine Gutschein-Karte ist aufgebraucht, Pech gehabt!“ – Gottes Vergebung ist unendlich. Warum? Weil seine Liebe unendlich ist. Voraussetzung: Ich muss um Vergebung bitten und Vergebung annehmen.

Jesus ähnlicher zu werden bedeutet eben auch dies – sich von Gottes Liebe anstecken und verändern zu lassen. Dann gelingt mir auch das mit der Vergebung irgendwann immer besser.

Sei gesegnet!

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Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de