Zeremonie

Ich liebe es, auf Hochzeiten zu predigen. Es macht mich froh, wenn ich erlebe, wie Menschen herzhaft lachen, wenn sie die Geschichte des Paares hören. Es ist ebenso bewegend zu sehen, wie Menschen in derselben Zeremonie an anderer Stelle gerührt sind. Wenn das geschieht, dass die Zuhörer sowohl lachen, als auch ein „Tränchen im Knopfloch“ haben, dann ist eine Zeremonie gelungen. 

Geschichten-Erzähler

Ich liebe diesen Job wirklich, auch, wenn es manchmal gar nicht so leicht ist, das hinzubekommen. Die Paare, die ich verheirate, kenne ich nicht aus meinem normalen Leben. Ich treffe mich ein paar Mal mit ihnen, und wir mailen oder telefonieren zusätzlich. Dabei versuche ich immer herauszubekommen, was für Menschen mir gegenübersitzen. Das ist mir viel wichtiger, als (nur) biografische Daten zu sammeln. Ich sage gerne, ich wäre kein Geschichts-Erzähler, sondern eher ein Geschichten-Erzähler.

Meist treffe ich mich etwa einen Monat vor der Hochzeit mit dem Paar zum Trau-Gespräch. Das hat sich bewährt, denn da sind beide meist schon vor Aufregung „völlig durch den Wind.“ In dieser Aufregung fallen dann meist alle Masken und ich habe die Chance, die beiden ein Stück so kennenzulernen, wie sie wirklich sind.

Das gelingt natürlich mal besser und mal schlechter. Die Charaktere von uns Menschen sind ja nun einmal unterschiedlich – und nicht alle sind so gesprächig wie ich. Unlängst habe ich ein wirklich wundervolles Kompliment erhalten. Der Vater der Braut kam nach der Zeremonie auf mich zu – mit zwei Gläsern Sekt in der Hand – um mit mir anzustoßen.

Er fragte mich: „Wie lange kennst du die beiden denn schon? Die haben nie was davon erzählt, dass ihr miteinander befreundet seid…“ (Treffer versenkt!) Und er staunte nicht schlecht, als ich ihm sagte, dass wir uns vor der Hochzeit nur zwei Mal leibhaftig gesehen hatten und davor gar nicht kannten.

Kennst du dich?

Wir kennen immer nur einen kleinen Ausschnitt anderer Menschen, egal, ob wir lange befreundet sind oder uns erst kürzlich kennengelernt haben. Wenn Menschen behaupten, voneinander „alles“ zu wissen, dann zeigt das, dass sie sich wirklich gut kennen, aber „alles“ kennt man nie von jemandem anderes. Man kennt sich selbst meist noch nicht mal zu 100%. Ich zumindest erlebe es immer noch ab und an, dass ich selber überrascht von meinen eigenen Reaktionen bin (und ich kenne mich ja nun schon eine ganze Weile…).

Jesus sagt in einem seiner Gleichnisse: „Selbst die Haare auf eurem Kopf sind alle (von Gott) gezählt.“ (Matthäus 10, 30) Was Jesus damit aber meint ist: Gott kennt uns durch und durch. Gott kennt uns so gut, dass er sogar weiß, wie viele Haare wir auf dem Kopf haben. Gut, auch hier sind wir Menschen ja unterschiedlich. Bei mir gibt es da noch einiges zu zählen, bei anderen (meist Männern) manchmal weniger. Gott kennt uns besser, als wir unsere besten Freunde, unsere Familien oder uns selbst. 

Das finde ich ganz schön beunruhigend, denn wenn das stimmt, bedeutet das im Umkehrschluss, dass Gott auch meine tiefsten Geheimnisse kennt, all das, was sonst niemand weiß – angefangen von großen und kleinen Charakterschwächen bis hin zu den großen und kleinen (Lebens-)Lügen, die ich so gerne verstecke. Gott kennt auch die verborgensten Untiefen meines Herzens, all meine Sehnsüchte und Wünsche ebenso, wie alle üblen Gedanken, Verletzungen und Frustrationen. Gott kann ich nichts vormachen.

Masken fallen lassen

Auf der anderen Seite entlastet mich das auch enorm, denn, wenn Gott mich kennt, kann ich ihm gegenüber alle Masken fallen lassen, kann ich ganz ehrlich sein, kann ich über alles mit ihm reden, selbst über Dinge, über die ich sonst mit niemandem reden würde. Gott würde solche Sachen nie ausnutzen oder gegen mich verwenden (was manche Menschen ja schon tun). Ganz im Gegenteil. Um alles, was ich Gott gegenüber offenbare, klage oder bekenne, kann er sich kümmern, will er sich kümmern, wird er sich kümmern.

Wem bin ich wichtig?

Und das entlastet meine Seele und mein Leben. Ich kann die Dinge ansprechen und loslassen, die mich tief im Herzen bewegen und die niemand sonst kennt – alte Schuld, alte Verletzungen, alte Fehler, alte falsche Entscheidungen. Wenn Gott sich die Mühe gemacht hat, sogar die Haare auf meinem Kopf zu zählen, dann bin ich ihm wichtig. Und dann wird er Dinge, die ich vor IHM an den Tag bringe, nicht unerhört lassen.

Wenn ich mit Gott über solche Dinge spreche, dann wird mich das verändern, denn meine Seele erlebt Entlastung und Heilung. Ich kann so manches, was mir wie eine Last auf meinem Leben liegt, hinter mir lassen und freier nach vorne gehen.

Veränderung

Ich kann, indem ich die tiefsten Untiefen meines Herzens und meiner Seele ans Kreuz bringe, alles bei Gott abgebe, ihm alles vor die Füße lege, was mich belastet, dies alles eintauschen gegen Freiheit und Liebe. Vielleicht spüre ich es nicht sofort, aber, wenn ich das erste Mal eine Hantel in der Hand hatte, spüre ich auch nicht gleich, wie meine Muskeln gewachsen sind (maximal den Muskelkater). Aber je öfters ich es tue (Hanteln, wie den Tausch am Kreuz), desto mehr werde ich die Veränderung spüren.

Tausche Last gegen Entlastung

Schieb es nicht auf die lange Bank (nicht das mit den Hanteln, noch weniger das mit der Seele und dem Herzen). Sondern nutze den Tag, nutze das Heute, nutze das Jetzt und tausche Last gegen Entlastung. Bei Gott sind deine geheimsten Geheimnisse gut aufgehoben – er kümmert sich!

Sei gesegnet!

P.S. Ich erahne schon die Reaktion: „Deiner Frau gegenüber darfst du aber keine Geheimnisse haben“ – und erlaube mir gleich im Vorfeld, das unkommentiert zu lassen, schon allein, weil es niemand gibt, der keine Geheimnisse hat …  ?

 

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de