Blätter

Welche Hoffnung trägt?

„Wie kannst du nur Hoffnung predigen in diesen furchtbaren Zeiten? Das ist unmöglich!“ Ja, wie kann ich das eigentlich? Weil ein Leben ohne Hoffnung sehr arm ist und weil wir Hoffnung so dringend zum Leben brauchen. Oder, wie der deutsche Philosoph Josef Bordat sagt: „Mission: Glauben verbreiten, Hoffnung teilen, Liebe schenken.“ Seit gestern lässt mich ein Gedanke zu diesem Thema nicht los: Welche Hoffnung trägt?

Als wir zum Gottesdienst kamen, gab es beim Check-in eine lange Schlange. Unzählige ukrainische Geschwister – hauptsächlich Frauen mit Kindern – standen in der Reihe. Sowohl die Gruppen der KiKi (Kinderkirche) als auch der Gottesdienst wurden übersetzt. 

Im Foyer erstrahlte das Brandenburger Tor in den Farben der Ukraine und den Worten „Welcome Home“ auf Ukrainisch. Mir schnürte das so die Kehle zu, dass ich nicht in der Lage war, beim Lobpreis mitzusingen, sondern die ganze Zeit über mit meinen Tränen kämpfen musste. 

Wie konnten diese Menschen, die alles verloren hatten, deren Männer noch in der Ukraine waren und die allesamt eine ungewisse Zukunft haben, Gott loben und ihn anbeten? Weil Hoffnung trägt!

Sichtbare und unsichtbare Welt

Mir wurde gestern wieder bewusst, dass es zwei Ebenen gibt, die unser Leben bestimmen, die „sichtbare“ und die „unsichtbare“ Welt. Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Rom: „Gott ist zwar unsichtbar, doch an seinen Werken, der Schöpfung, haben die Menschen seit jeher seine ewige Macht und göttliche Majestät sehen und erfahren können“ (Römer 1, 20 HfA). 

Dass diese beiden Dimensionen in absolutem Gegensatz stehen können, zeigt die Geschichte von Adam und Eva. 

Adam und Eva hatten alles. Sie lebten im Garten Eden, in dem, was wir gerne Paradies nennen. Und sie hatten absolute Gemeinschaft mit Gott. Als aber die Schlange auf vermeintlichen „Mangel“ aufmerksam machte, nämlich der Tatsache, dass es da ja diesen einen Baum gab, von dem sie nicht essen durften, wandte sich der Blick der Menschen weg von der geistlichen Welt und ganz hin ausschließlich zum Irdischen. 

Sie ließen sich vom Irdischen, von dem, was vor ihren Augen war, leiten und handelten danach – mit irdischen, aber auch mit geistlichen Folgen. Sie wurden aus dem Paradies geworfen – und ihre Beziehung zu Gott war zerstört. 

Irdische Welt

Die beiden Ebenen gibt es aber bis heute. Das, was in der Ukraine geschieht, das, was Menschen an Leid erfahren, ist unerträglich und unsagbar traurig. Es zerreißt mir das Herz und ich finde keine Worte auszudrücken, was ich fühle. Das ist die irdische, die sichtbare Welt, die schnell alles andere dominiert. 

Aber Gott ist dennoch da – trotz allen Leides. Und die Menschen, mit denen ich gestern Gottesdienst zusammen feiern durften, haben mir gezeigt, dass sie diese Dimension nicht vergessen haben. Bei Gott gibt es Hoffnung, auch wenn weltlich alles zusammenbricht. 

Gottes Hoffnung trägt.

Aber dazu muss ich meinen Blick erweitern und nicht nur auf das Irdische, das Sichtbare schauen. Natürlich ist es wichtig, zu versuchen, die irdische Hoffnung nicht zu verlieren, die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine, die Hoffnung auf Heilung vom Krebs, die Hoffnung, dass die Familie nicht auseinanderbricht, dass ich den Job behalte, dass ich eine Frau fürs Leben finde. 

Aber Gott ist auch da, wenn irdische Hoffnungen zerplatzen. Er hält die Hand eines sterbenden Menschen, einer trauernden Mutter, eines Kindes, das seinen Vater verloren hat, eines Menschen in Angst, eines „hoffnungslosen Falls“. 

Lassen wir es zu, dass die Schlange auch uns dazu bringt, dass wir nur auf das Irdische schauen, dann werden wir verzweifeln. Bergen wir uns bei Gott, dann wird die Hoffnung in uns ein Fundament, das trägt, selbst wenn sie erst erfüllt wird, wenn ich einst vor Gott stehe. 

Deshalb werde ich nicht aufhören und die Mission von Josef Bordat aufgreifen: „Glauben verbreiten, Hoffnung teilen, Liebe schenken.“  Wende deinen Blick Gott zu und nicht nur dem Irdischen. Lass dich von seiner Hoffnung erfüllen, einer Hoffnung, die trägt!

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de