Steine aufgestapelt zu einem Turm

Egoismus

Ich fahre an einem Dienstagvormittag zu einem Supermarkt bei mir um die Ecke, einer Zeit, in der ich sonst eigentlich arbeiten muss. Dass heute irgendetwas anders ist als an den Tagen, an denen ich sonst hier einkaufen gehe, merke ich gleich auf dem Parkplatz. Ein Auto fährt rasant und zielgerichtet auf den Parkplatz, der extra für Familien mit kleinen Kindern ausgeschildert ist. Die Fahrerin ist alleine.

So etwas ärgert mich. Also spreche ich die Dame – so freundlich wie ich kann – an, ob sie gesehen hätte, dass dies ein Familienparkplatz sei. Natürlich hätte sie es gesehen, sie wäre doch nicht blind oder blöd. Aber es wäre ihr sch…egal. Sie wolle einkaufen gehen und hätte keinen Bock, weit laufen zu müssen. Ich denke mir noch: „Schade, dass wir nicht in den USA sind, denn da zahlen die Leute auch auf Parkplätzen vor Supermärkten bei solch einem Egoismus heftige Strafen.“

Völliges Chaos

Im Laden herrscht heute völliges Chaos. So voll habe ich den Supermarkt in Zeiten des Lockdowns noch nie gesehenen. Überall keifen sich Menschen gegenseitig an. Sie würden im Weg stehen, sie sollten gefälligst mal Platz machen und vor allem nicht so lange vor den Regalen verharren, weil ja auch noch andere da heranwollten.

Eine Frau vor mir schiebt ihren Wagen durch einen megaengen Gang in der Obstabteilung. Plötzlich bleibt sie stehen und versperrt den Weg. Ich habe Zeit und warte geduldig hinter ihr. Sie dreht sich irgendwann um und keift mich in einem Tonfall an, den ich das letzte Mal gehört habe, als ich ein Kind war und meine Mutter mit mir schimpfte. Was habe ich denn falsch gemacht?

Ich könnte noch eine Menge Anekdoten nur von diesem einen Einkaufs-Abenteuer erzählen. 

An der Kasse ist vor mir ein älteres Pärchen. Er steht unbeteiligt neben dem Wagen, während die Kassiererin die Waren über den Scanner zieht. Die Frau beobachtet alles ganz genau. In den Wagen packt niemand etwas ein, sodass sich der Stauraum hinter dem Warenband bedrohlich füllt. Es wird bezahlt, die Frau keift die Kassiererin an: „Wat issn mit meene Stickers?“

Die Kassiererin bleibt freundlich. Und fragt, was für „Stickers“ die Dame denn meint. „Na die Stickers, womit wa Rabatt uff Sachen kriejen…“ Die Kassiererin versteht: Rabattmarken gäbe es derzeit nicht. Die Käuferin schnauft laut und beginnt langsam, ihre Waren in den Einkaufswagen zu packen. Das Band hinter der Kasse ist so voll, dass die Kassiererin lange warten muss – und ich somit auch. Der Mann der Käuferin steht weiterhin teilnahmslos neben dem Einkaufswagen.

Ich frage die Kassiererin freundlich, ob ich irgendetwas verpasst hätte, denn einen Tag wie diesen hätte ich noch nie erlebt. Ihre Antwort: „Dienstags ist das hier immer so. Da gibt es 10 % Rabatt auf Wurst und Käse an der Bedien-Theke und da ist immer Chaos …“ 

Gar kein schlechter Gedanke

Eines hab ich gelernt: An einem Dienstag werde ich dort nicht mehr einkaufen gehen. Ich habe noch etwas gelernt, nämlich, dass das Ego nicht nur ein Problem war, als Gott dem Mose die 10 Gebote gab, und dass Egoismus nervt! Schon meine Kids in der Schule haben sehr treffend festgestellt, dass fast alle Probleme auf der Erde als Ursache Egoismus haben: Streit, Lüge, Betrug, Krieg, Gewalt, zerbrochene Ehen, Misstrauen, Umweltzerstörung, Hunger und vieles mehr. 

Solange unser Ego auf dem Thron sitzt, werden wir von unserem Ego regiert. Und solange wir von unserem Ego regiert werden und meine Bedürfnisse an erster Stelle stehen, werde ich immer wieder in die Falle der Sünde tappen. Auch, wenn ich versuche, ein „guter Mensch“ zu sein, wird es mir nicht gelingen, das abzuschalten. 

Und wenn ich ganz ehrlich bin, sind auch wir Christen nicht vor Egoismus geschützt. Ansonsten gäbe es nicht so viel Streit in Kirchen und Gemeinden, so viel Rechthaberei und Spaltungen. Paulus schien da ein Stück weiter zu sein, als ich, denn er schreibt: „Ich lebe, aber nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir“ (Galater 2, 20 NLB).

Paulus hat nicht nur erkannt, dass Egoismus schädlich ist und das zwischenmenschliche Miteinander schädigt, er hat die richtigen Schlüsse gezogen. Ich parke zwar nicht auf Parkplätzen für Familien mit kleinen Kindern oder stelle meinen Einkaufswagen quer in den Gang, aber wer mich kennt, weiß, dass ich auch genügend Schwachstellen habe. 

Wenn wir erkannt haben, dass auch bei uns das Ego oft genug auf dem Thron sitzt und wir damit anderen das Leben schwermachen, eben weil wir in erster Linie an uns selber denken, dann sollten wir anfangen, auch Konsequenzen daraus zu ziehen. Gott meint es gut mit uns. Gott kennt uns und liebt uns. Gar kein schlechter Gedanke, unser Ego vom Thron zu werfen und ihn regieren zu lassen. 

Ich will es auf jeden Fall versuchen. Und beginne erst einmal damit, Gott einzuladen, auf den Thron meines Lebens zu steigen. Und du?

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten – https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de