Verlust von Werten

In den Medien erscheinen immer wieder Beiträge von verschiedenen Seiten, in denen der Verlust unserer Werte beklagt wird. Ich finde diese Diskussion aus zwei Gründen gut. Zum einen muss sich eine Gesellschaft von Zeit zu Zeit bewusst machen, welche Regeln für das Zusammenleben gelten sollen. Zum anderen ist es eine Herausforderung, sich selbst zu positionieren.

Was wird beklagt?

Zu allen Zeiten haben Staaten Regeln für das Miteinander der Menschen ihres Herrschaftsgebietes aufgestellt. Meist wurden sie von den jeweiligen Machthabern verordnet. Immer wieder wurde auch der Verfall der Sitten beklagt. Der Ausspruch von Cicero „O tempora, o mores“ ist geradezu sprichwörtlich geworden.

Mir ist in der derzeitigen Debatte nicht ganz klar, was eigentlich beklagt wird, dass wir keine Werte mehr haben oder dass die vorhandenen nicht eingehalten werden.

 

Grundgesetz

Bei uns gilt das Grundgesetz, heuer schon seit 70 Jahren. Auch das Grundgesetz wurde verordnet, indem der Vorschlag der 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates von allen Länderparlamenten der Westsektoren, außer Bayern, angenommen wurde.

Es gilt für alle Deutschen. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist, wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt (Art. 116, 1 GG). Es kann auch die doppelte sein.

Aber mal Hand aufs Herz. Wer hat das Grundgesetz wirklich gelesen? Sind im Alltag nicht die gelebten Werte prägend? Und überhaupt, gelten die Werte der Parlamentarier von damals heute noch? Zumindest der Gottesbezug in der Präambel ist umstritten. In einigen Länderverfassungen, wie zum Beispiel der Berliner, kommt kein „Präambel-Gott“ vor.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Oft werden die Werte der Französischen Revolution eingeworfen. Wurde nicht in dieser Zeit die Guillotine erfunden? Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und für alle anderen der Tod. Robespierre verfolgte offen das Ziel, das Volk mit Vernunft zu regieren und die Feinde des Volkes durch Terror zu beherrschen. Dieses Prinzip nahmen sich alle nachfolgenden totalitären Regime der Neuzeit jeglicher Couleur zum Vorbild. Lenin befahl unter anderem, die Klassenfeinde der Sowjetrepublik in Konzentrationslagern zu isolieren. Dieses Gulag-System wurde von Stalin perfektioniert. In einigen Ländern werden heute noch Menschen in Lager gesperrt, allen Menschenrechten zum Trotz.

Zusammenleben von Menschen

Als Christ frage ich mich, was mit den oft zitierten „Christlichen Werten“ gemeint sein soll? In diesem Zusammenhang wird gerne auf die Zehn Gebote und die Bergpredigt verwiesen. Die zehn Gebote entstammen ursprünglich der jüdischen Tora. Also müsste korrekterweise von jüdisch-christlichen Werten die Rede sein. Sicher enthalten auch sie Gebote, die sich auf das Zusammenleben von Menschen beziehen, aber eben nicht nur. Die von Jesus geforderte Feindesliebe scheint mir dabei ziemlich einmalig zu sein.

Es kann nicht darum gehen, dass eine christliche Mehrheit allen anderen ihre Werte vorschreibt oder eine christliche Minderheit bevorzugt wird.

Biblische statt christliche Werte

Mir wäre es auch lieber, wenn von biblischen statt christlichen Werten geredet würde, denn die Bibel ist die eigentliche Quelle. Darin wird nicht nur die Beziehung der Menschen untereinander, sondern auch ihre Beziehung zu Gott behandelt. Ehrfurcht vor Gott wäre zum Beispiel ein Wert, den die Christen in die Diskussion einbringen könnten.

Allerdings hat Jesus selbst beklagt. „Was nennt ihr mich aber Herr, Herr und tut nicht, was ich euch sage?“ (Lukas-Evangelium, Kapitel 6, Vers 46)

Andreas Lattka für GottinBerlin