Eine alte und junge Hand berühren eine Rose

Spiegelbild

Als ich jünger war, stand ich oft lange vor dem Spiegel, bevor ich irgendwo predigte. Ich wollte ja „eine gute Figur“ machen – und dazu gehörte es natürlich, dass ich nicht nur meine Worte gut wählte, sondern auch mein Outfit. Meine Hülle sollte schick sein. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich einen Anzug verwarf und dann einen anderen anzog. 
 
Dann passte auf einmal die Krawatte nicht so richtig zum Hemd oder die Frisur lag nicht richtig. Die Augen geöffnet hat mir dann eine Kindersegnung, die in einem wunderschönen Garten in Brandenburg stattfand.
 
Die Gäste waren alle sehr fein angezogen, auch das Baby sah traumhaft aus. Alles klappte sehr gut – und, als ich mich verabschiedete, fiel mir die Mutter des Kindes um den Hals und sagte mir mit Tränen in den Augen: „Das war die schönste Predigt, die ich je gehört habe. Du hast eine Gabe, anderen Menschen direkt ins Herz zu sprechen. Vielen Dank!“
 
 

Äußerliches

Ich stieg ins Auto und fuhr nach Hause. Zu Hause angekommen, entdeckte ich beim Umziehen im Spiegel, dass ich einen riesigen Kaffee-Fleck auf meinem Hemd hatte. Ich wurde blass und rief bei nächster Gelegenheit die Familie an, um mich zu erkundigen, ob der schon während der Zeremonie da war – und ob man den gesehen hat (er war so groß, dass man schon wirklich blind sein musste, um ihn nicht zu entdecken).
 
Die Frau sagte mir am Telefon: „Ja, natürlich haben wir gesehen, dass du dich irgendwo bekleckert haben musst. Aber weißt du, deine Art, wie du aufgetreten bist und deine Worte, das war es doch, was zählt. Wer sich von so Kleinigkeiten, wie einem Fleck auf dem Hemd beeindrucken lässt, der ist doch viel zu oberflächlich. Es gibt doch wichtigere Dinge, als das Äußerliche!“
 
Ich war sprachlos. Mich hätte das gestört, wenn der Prediger mit dreckigen Klamotten angekommen wäre (Ich hatte dann mehrere Jahre lang immer ein Ersatzhemd im Auto). Die Ansicht dieser Mutter habe ich allerdings nie vergessen, denn eigentlich hat sie recht. Wir lassen uns von Äußerlichkeiten viel zu leicht beeinflussen. 
 
Ist uns das Äußere eines Menschen sympathisch, hören wir ihm viel lieber zu als jemandem, dessen Äußeres uns eher nicht gefällt. Gut, dass Gott auf andere Dinge schaut als auf unsere Figur, unser Outfit oder die Frage, ob unser Hemd einen Fleck hat oder nicht. 
 
Als Gott sich einen neuen König für sein Volk aussucht und den weisen Samuel zu der auserwählten Familie schickt, zeigt das Oberhaupt natürlich stolz erst einmal seine „großartigen“ Söhne. Aber die sind es nicht, weder die Starken, noch die Schönen. Im 1. Samuel 16, 7 spricht Gott dann sehr deutlich zu Samuel: „Lass dich von seinem Aussehen und von seiner Größe nicht beeindrucken. Er ist es nicht. Denn ich urteile nach anderen Maßstäben als die Menschen“ (1 Samuel 16, 7 HfA). Und dann heißt es weiter: „Für die Menschen ist wichtig, was sie mit den Augen wahrnehmen können; ich dagegen schaue jedem Menschen ins Herz.“ (a.a.O.).
 
 

Nicht nur die Hülle sehen

Viel wichtiger, als die Frage, welches Outfit wir wählen, sollte die Pflege unseres Herzens sein. Nicht, dass wir auf unser Äußeres nicht achten sollten, wenn aber der schöne Zwirn nur Hülle eines bösen Herzens ist, dann ist das fatal.
 
Warum achten wir eigentlich so viel auf das Äußere der Menschen, wenn wir wissen, dass das oft mehr Schein als Sein ist? Warum lassen wir uns so oft blenden, geben anderen aber oft keine Chance? Bete darum, dass Gott es dir schenkt, dass du die Menschen um dich herum mit seinen Augen sehen kannst. 
 
Sei gesegnet!
 
 

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleiten https://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de