Zwei Hände berühren eine Riosenblüte

Bootstour

Als wir gestern eine Bootstour als letzten Höhepunkt unseres Urlaubs machen, lernen wir eine nette Familie aus dem Ruhrgebiet kennen. „Ich höre unsere Sprache…“, war die Brücke dazu, dass die kleine Tour mit Baden und Picknick noch interessanter werden sollte. Ein Satz des Vaters, ein Mann in meinem Alter, bewegt mich dann sehr. 

Wir sprechen über dies und das, über die Bürokratie, wenn wir wieder zurück nach Deutschland fliegen und kommen so über Corona und unsere Berufe zum Thema Glauben. Als ich erwähne, dass ich Pastor bin und jetzt an der Schule als Religionslehrer arbeite, sprudelt es aus dem Mann förmlich heraus. 

Nächstenliebe

Das Wichtigste am Glauben sei ihm ja das Gebot der Nächstenliebe. Innerlich baut sich bei mir ein Stück Mauer auf, denn darauf wird der Glaube so oft reduziert. Ganz nach dem Motto: Sei lieb zu deinem Nächsten, dann bist du ein guter Mensch.

Ich will gerade noch einwerfen, der Glaube an Jesus wäre doch das Entscheidende, als der Mann fortfährt: „Aber viele Menschen sehen das Gebot falsch. Sie reduzieren es auf den ersten Teil. Dabei heißt es doch: »Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst« (3. Mose 19, 18 NLB). Und er fährt fort: „Diesen entscheidenden Punkt lassen viele Menschen einfach weg. Wie kann ich denn meinen Nächsten lieben, wenn ich mich selbst nicht liebe?“

Er erzählt mir, wie er immer wieder im kirchlichen Bereich erlebt hätte, wie gepredigt worden wäre, man müsse die eigene Person klein machen, seine Bedürfnisse hinten anstellen und die Bedürfnisse anderer hochheben. Das wäre wahre Nächstenliebe. Und da wir Sünder seien, wäre das dann auch besser so. 

„Aber wo bitte bleibt da die Selbstliebe?“, fragt er mich und lächelt mich dabei an. Ich habe oft ähnliches gehört. Weil unser Ego so viel Schlechtes hervorbringt, sind wir Menschen an sich nicht gut. Der Schluss daraus ist, dass ich natürlich nicht etwas lieben kann, was nicht gut ist. 

Die Folge davon – Unmengen von Christen, die sich schuldig fühlen, schlecht und unwürdig und diese Gefühle kompensieren, indem sie sich aus Schuldgefühl für andere aufopfern – oder, indem sie sich hinter einem merkwürdigen Egoismus verstecken, den sie ja eigentlich ablehnen. 

„Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir wieder lernen, uns selbst zu lieben, nur dann können wir den Nächsten auch wirklich lieben“, schließt mein Gegenüber. Ich denke, er hat recht. Wer sich selbst nicht liebt, der leidet. Und das ist keine gute Voraussetzung, andere wirklich zu lieben.

Trägst du eine Maske?

Wenn ich mich nicht selbst liebe, werde ich immer eine Maske tragen, werde anderen immer so oder so etwas vorgaukeln. Und ich werde dadurch unfrei. 

Nun kann Jesus schwerlich ein Gebot geben, sich zu lieben, wenn ich mich eigentlich selbst ablehne. Das hat er auch nicht. Liebe dich selbst ist für Jesus – auch, wenn es nach dem Titel eines Seminars zur Selbstverwirklichung klingt – eher eine Feststellung, als eine Aufforderung. 

Für Jesus ist klar: Du bist wertvoll, du bist geliebt, du bist ein Königskind, du bist liebenswert. Der erste Schritt sollte also sein zu schauen, warum es mir schwerfällt, mich selbst zu lieben und dann zu sehen, dass ich Blockaden aus dem Weg räume. 

Liebe dich selbst, dann bist du frei, auch andere wirklich zu lieben. 

Sei gesegnet!

Weitere Gedanken und einen Song zum Tag gibt es hier: – zum selbst Lesen oder Weiterleitenhttps://juergens-gedanken.blogspot.com

Jürgen Ferrary für GottinBerlin.de